Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Titel: Ein letzter Brief von dir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Ashton
Vom Netzwerk:
dabei, etwas sehr Unkluges und Grausames zu tun.»
    Genau wie Sim. Immerhin kannte Orla nun den Grund für Junos plötzliches Verständnis für ihn. «Es fällt mir schwer, sie zu verurteilen, Maude.»
    «Weil du sie liebst.»
    Orla dachte an Juno, die mit Rob auf dem Weg zum Flughafen war und die letzten Stunden ihrer gemeinsamen Freiheit genoss. Dann blickte sie auf die zarte Gestalt, die nun von ihrem Stuhl aufgestanden war und sich an die Weinflasche heranpirschte. Wenn man einen Menschen liebte, kehrte man sein Innerstes nach außen, und die Welt da draußen war voller scharfer Kanten und Gefahren. Orla würde kein böses Ende dulden. Juno
würde
rechtzeitig zur Besinnung kommen. Maude
würde
ihre Agoraphobie besiegen. Und ihr selbst würde es gelingen, Marek aufrichtig zu lieben.
    Orla schwor sich, Maude durch ihren Gesundungsprozess zu begleiten. Wer außer ihr selbst konnte die entschlossene Mitstreiterin sein, von der der Arzt gesprochen hatte? Sie zischte missbilligend, als Maude sich ihr Glas wieder auffüllte. Orla sah Maudes Genesung als einen Faden, der sich in die Zukunft erstreckte und sie beide mit sich zog, bis sie draußen auf der anderen Seite waren, über den Liebeswahn hinweg, über die Agoraphobie hinweg, über Anthea Blake hinweg und auch über Sims Tagebuch.
     
    Marek schreckte im Dunkeln zurück, stieß sich am Kopfende des Bettes den Kopf, fluchte laut auf Polnisch und schaltete das Licht an. Dann schnappte er nach Luft. «Du bist das!»
    «Ja, ich!», lachte Orla und breitete die Arme aus. «Oh, Hoppelhase, dein armer Kopf!»
    «Vergiss meinen Kopf.» Marek glitt unter die Laken und zog sie eng an sich. Sein Lächeln war so breit, dass es in seinem Gesicht kaum Platz fand. «Du spinnst doch, Irin.»
    «Aber freust du dich nicht, mich zu sehen?»
    «Ich freue mich sehr, dich zu sehen.»
    Orla hatte es gerade noch geschafft, durch die Haustür zu schlüpfen, sein Taxi war im selben Moment die Hofgebäude entlang auf sie zugefahren. Und das, obwohl sie stundenlang Zeit gehabt hatte, nachdem sie die beschwipste Maude ins Bett geschickt hatte.
    Ihre erfolgreiche Abstinenz war offenbar lediglich den Umständen geschuldet gewesen. Sobald Juno und Maude außer Sicht waren, hatte Orla wie eine Hungernde, der ein Konditoreischlüssel ausgehändigt wird, jegliche Kontrolle verloren. Als sie an der Einmündung von Beatrice Gardens stand, außerhalb der Reichweite von Antheas Überwaschungskamera, hatte sie sich etwas eingestanden.
    Ich bin süchtig
.
    Sie hatte genügend Suchtbiographien gelesen, um die Symptome innerlich abhaken zu können: das Verlangen, das immer drängender wurde, bis es nicht mehr zu ignorieren war, die süße Erleichterung, wenn man ihm nachgab, gefolgt von der niederschmetternden Erkenntnis, dass diese Süße nur einen kurzen Moment lang vorhielt.
    Jetzt, da sie durch halb London gedüst war, um einen Blick auf Antheas Haus zu werfen, wurde Orla von Schuldgefühlen und Scham über ihr blindwütiges Verhalten übermannt.
    Das Schlimmste war, dass sie ihre Beziehung für eine kurze Dröhnung aufs Spiel setzte.
    Ein glänzender, beinahe lautloser silbergrauer Wagen hatte ihren Gewissenskampf unterbrochen. Orla duckte sich hinter eine Säule und sah, wie er vor Antheas Haus hielt. Der Fahrer, ein weiterer beflissener Höfling, stieg aus und hielt die Tür auf.
    Orla konzentrierte sich. Sie hatte für ihre Beobachtung nur so lange Zeit, wie Anthea brauchte, um die Stufen zur Tür zu erklimmen.
    Anthea war in eine weiche Wolldecke gehüllt, ihre rote Mähne war zerzaust. Offenbar war sie auf dem Weg vom Set des Arztfilms, über den sie getwittert hatte, eingeschlafen.
    Heute Probe für Lady M, UND wir filmen den Zweitbefund. Schickt mir Energy-Drinks!
    Der Gegensatz zwischen der vom Schlaf zerstrubbelten Frau und ihrer verzagten Bewacherin hätte nicht größer sein können. Die Haustür schloss sich mit einem Rums, und Orla lehnte zitternd die Stirn gegen die steinerne Säule. Sie wartete darauf, dass Ärger und Trostlosigkeit verebbten.
    «Sie hat alles», flüsterte Orla. Ihr Verlangen nach dem Tagebuch erneuerte sich immer wieder, genau wie ihre Unfähigkeit, es sich zu holen.
    Der Abend war dahingeschmolzen. Sie hatte sich mit Marek ein Wettrennen zu seinem Haus geliefert und sehr knapp gewonnen.
    Und er freute sich, sie zu sehen.
    Er wusste ja nicht, wo sie gewesen war.

Kapitel achtundzwanzig
    D a war eine nebelhafte Präsenz, ein Bündel liebevoller Erinnerungen, aber

Weitere Kostenlose Bücher