Ein letzter Brief von dir (German Edition)
den Mund. Orla hatte unter dem Tisch sein Knie gedrückt. «Ich bestehe darauf, dass …» Sie drückte noch fester.
«Bogna will nur mit ihren Freunden zusammen sein», sagte sie.
«Also …»
«Du warst auch mal jung. Erinnerst du dich nicht?», fragte Bogna mit neckisch zur Seite geneigtem Kopf.
«Ich erinnere mich gut. Da habe ich gearbeitet», entgegnete Marek. «Und mitgeholfen, dich großzuziehen.» Sein Knie wurde erneut gedrückt, und sein Tonfall änderte sich. «Geh schon, du Äffchen. Aber treib es nicht zu wild. Ich will dich am Stück wiederhaben.»
Bogna stürzte sich auf ihn, küsste ihn auf den Kopf und lachte sich beinahe tot über sein verdattertes Gesicht. «Frohe Weihnachten, dummer Bruder. Und du», sagte sie zu Orla, «heirate ihn bitte.»
Als die Tür hinter ihr zuschlug, betrachtete Maude erheitert Orlas errötetes Gesicht. «Subtil wie eine Abrissbirne, das Mädchen. Also gut. Lasst uns aufräumen.»
Sie war ein schlauer alter Fuchs, und es war ein offensichtlich hinterhältiges Angebot. Ihr war klar, dass Orla jegliche Hilfe von sich weisen würde. «Ihr wisst ja gar nicht, wo alles hingehört, das geht schneller, wenn ich es allein mache», sagte sie hastig und klang wie das Echo ihrer Mutter. Sie schickte Maude zum Ausruhen in ihre Wohnung und Marek unter die Dusche und machte sich an den Abwasch der Töpfe und Pfannen. Ihre eigene Schnelligkeit angesichts der Aussicht auf Sex mit Marek beeindruckte sie.
Das Schlafzimmer duftete nach ihrem liebsten Duschgel, nach Akazie. «Das war aber eine kurze Dusche», sagte sie beiläufig und kickte ihre Schuhe von den Füßen. Marek lag bäuchlings quer über dem Bett und hatte den Laptop vor sich aufgeklappt. Selbst in ihrem hellrosa Bademantel sah er zum Anbeißen aus, und Begehren schoss durch Orlas Körper.
«Was schaust du dir da an?» Noch während sie den Satz aussprach, verkehrte sich die himmlische Situation ins Gegenteil.
Marek drehte den Laptop so, dass sie den Bildschirm sehen konnte. FAKTEN ÜBER ANT lautete die Überschrift über ihrer Tabelle.
Orla las im sanften Licht der Lampe ihre eigenen plumpen, dummen Worte. ANTS TERMINE stand über einem Schriftblock, der durch einen Tränenschleier hindurch aussah, als bestünde er aus tanzenden Mücken, der aber, wie sie wusste, eine Auflistung von Antheas öffentlichen und einigen privaten Auftritten enthielt. ANTS SITES enthielt eine Strichliste mit Links zu diversen Websites.
Das Schlimmste war aber ANT - WATCH . Es war eine bislang lediglich zwei Punkte umfassende Auflistung ihrer Nachtwachen vor Antheas Haus, die letzte von ihnen hatte erst vor neun Tagen stattgefunden.
Marek blickte sie geduldig an.
Eine Verteidigungsstrategie mit dem Tenor «Das ist privat!» war denkbar, aber armselig. Ihr fiel ein, dass sie den Computer offen auf dem Bett hatte stehen lassen, beinahe, als hätte sie endlich die unrühmliche Wahrheit über ihren Zeitvertreib ans Licht bringen wollen. Orla sank in den Korbstuhl, über den sie sonst abends ihre Klamotten warf, und sagte schwach: «Jetzt weißt du es also.»
«Warum?», stieß Marek hervor und stand auf. «Ich hatte keine Ahnung davon. Du hast
das alles
», er deutete auf den Computer, «vor mir geheim gehalten. Was hast du mir noch verschwiegen?»
«Nichts Wichtiges.» Es war etwas Weinerliches in Orlas Stimme, das ihr nicht gefiel. Sie versuchte, es in den Griff zu bekommen. «Das ist das Einzige, worüber ich dich belogen habe. Weil ich mich schäme.»
Marek schnaubte wie ein Pferd. Er blickte an sich herab, bemerkte den bestickten rosa Frotté-Mantel und riss ihn sich vom Körper, als sei er voller Krabbeltiere.
Orla wandte die Augen ab. Sie fühlte sich nicht berechtigt, seinen nackten Körper anzusehen, den Körper, nach dem sie sich den ganzen Nachmittag gesehnt hatte. «Es tut mir leid.» Sie wünschte, der Satz hätte noch mehr Silben, damit er gewichtiger klänge. Wütend schlüpfte er in seine Jeans und stieß mit dem Kopf durch den Ausschnitt seines Pullovers.
«Tut es dir leid genug, um damit aufzuhören?»
Es war nicht der Zeitpunkt, ihn mit leeren Versprechungen abzuspeisen. «Ich habe ein Problem, Marek.»
«Offensichtlich.» Sein Gesicht war voller Energie, die Augen leuchteten schwarz. Er sah gesund aus, und sie spürte, wie er ihr entglitt, sie mit ihrer Krankheit zurückließ.
Eilig stand Orla auf, versuchte, mit seiner Kraft mitzuhalten. «Versuch mich zu verstehen. Wenn ich Anthea beobachte …»
«Wenn du
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