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Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Titel: Ein letzter Brief von dir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Ashton
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sie stalkst», korrigierte Marek knapp. «Das Wort dafür ist Stalking.»
    «Nein, es ist …» Orla stolperte über den Ausdruck, den sie selbst so lange vermieden hatte. Es war ein hässliches Wort. «Ich bin eine Stalkerin», sagte sie verwundert.
    Mareks schroffe Einschätzung löste eine Erkenntnis aus. Sie sah sich selbst durch seine Augen in sehr unvorteilhaftem Licht. «Hör zu», sagte Orla und fächelte sich Luft zu. Die Erkenntnis ihres eigenen Wahnsinns und seiner Auswirkungen trieb ihr die Röte ins Gesicht. «Ich will sie nicht
stalken
, und ich will keine Geheimnisse vor dir haben, aber …» Ein weiteres Wort, das sie seit Wochen versuchte zu vermeiden, flog auf sie zu. «Es ist wie eine Sucht», schloss sie leise. Es war sinnlos, abzustreiten, dass es ihr einen dunklen Kick gab, vor Antheas Haus zu stehen, auch wenn es ihre Selbstachtung untergrub.
    «Und was hast du davon?» Marek saß auf dem Bettrand und band sich energisch die Schuhe.
    «In gewisser Hinsicht tue ich es für uns.» Orla wusste, wie absurd das klingen musste, konnte es aber nicht anders formulieren.
    Ein weiteres Schnauben, es klang beinahe amüsiert. «Sag das noch mal», rief Marek. «Für uns?» Seine Augenbrauen verschwanden in seinem verwuschelten, feuchten Haaransatz.
    «Sieh mal, ich weiß, dass du seinen Namen nicht gern hörst, aber Sim hatte …»
    Marek hob die Hand. «Du irrst dich. Es ist nicht, dass ich seinen Namen nicht gern höre. Ich bin kein arrogantes Monster, das von dir verlangt, ihn zu vergessen. Das Problem ist,
wie
ich seinen Namen höre. Wie er sich zwischen uns drängt.»
    Mit einem entschlossenen Nicken bedeutete er ihr weiterzusprechen.
    «Okay, egal.» Sein herrisches Nicken hatte die Bogna in Orla geweckt. «Dieses Jahr war einfach schrecklich, Marek. Ich kann Sim nicht so mir nichts, dir nichts überwinden. Von außen sieht es bestimmt verfahren aus, aber ich habe mein Bestes gegeben. Immerhin habe ich ihn geliebt. Ich muss nur noch mit einem Detail aufräumen, es beilegen. Ich brauche das Tagebuch. Ich
brauche
es.» Sie fasste sich ans Herz. «Es wird mich wieder heilmachen.»
    Marek zuckte zusammen. «Dich heilmachen?»
    «Als ich die Valentinskarte gelesen habe, bin ich zerbrochen», sagte Orla. Sie tat sich leid, und er tat ihr leid. Unter seinem Leitwolfgehabe konnte sie seine Verwirrung ausmachen. Und seine Verletztheit. «Das Tagebuch wird für mich alles klären. Wenn ich nur einmal gelesen habe, was wirklich passiert ist, wenn ich es verstehe, dann höre ich vielleicht auf, zu glauben, dass man mich nicht lieben kann, dass ich ein Scheusal bin.»
    «Moje złotko.»
Marek stand auf und tat einen Schritt auf sie zu. Seine Augenlider waren schwer vor Mitleid. Beinahe hätte er sie berührt.
    Orla verfluchte die zwei Meter Teppichboden zwischen ihnen.
    «Wenn es um das Tagebuch geht», sagte er langsam, «warum lungerst du dann vor Anthea Blakes Haus herum? Warum gehst du nicht einfach zu ihr und fragst danach?»
    «Das tu ich, das tu ich.» Sie wollte es ihm so unbedingt erklären, dass sie zitterte. «Ich hab es noch nicht getan, weil, also, ich konnte es nicht, aber ich werde es tun.»
    «Okay.» Marek griff nach dem Telefon. «Ruf sie an und frag.»
    «An Weihnachten?»
    «An Weihnachten.»
    «Ich habe ihre Telefonnummer nicht.»
    «Reece hat sie.»
    «Er wird sie mir nicht geben.»
    «Er wird sie
mir
geben, darauf kannst du dich verlassen. Los jetzt. Ruf an. Dann kann das alles aufhören. Und du und ich sind frei, wie du sagst.»
    Er bot ihr einen Ausweg an, eine Lösung.
    Eine Ahnung stieg in ihr auf. Wenn sie es Marek früher gesagt hätte, hätte er Ordnung in ihre Gedanken gebracht, ihnen Logik und Kraft verliehen. Diese Unterhaltung müsste nicht stattfinden, und sie hätte das Tagebuch inzwischen längst gelesen.
    Orla starrte auf das Telefon und hasste es noch mehr als den Teppichboden. Marek dachte in geraden Linien. Sie hingegen dachte in wirren Kreisen. Seine Lösung war ganz klar, und sie würde funktionieren.
    Aber sie konnte nicht. Es jagte ihr Angst ein, überhaupt nur darüber nachzudenken. Sie hatte aus Anthea eine übermenschliche Kreatur gemacht, die so viel wert war wie hundert Orlas.
    Marek warf das Telefon mit Schwung auf das Bett. «Dann sprichst du also nicht mit Anthea. Du genießt das doch. Du kultivierst diese verrückte Beziehung zu ihr, von der sie nicht mal etwas weiß.» Als Orla den Mund aufmachte, um zu antworten, blaffte er entnervt: «Echt, Orla, diese

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