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Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Titel: Ein letzter Brief von dir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Ashton
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Teller und verschränkte bockig die Arme vor der Brust. «Warum musst du immer alles herunterspielen, als ob du nicht aus demselben Fleisch und Blut gemacht wärst wie der Rest von uns? Lieber Gott, dieser Mann lehnt sich für dich aus dem Fenster, erniedrigt sich vor seiner Schwester und vor mir – und man sieht, dass das einem so stolzen Exemplar wie Marek nicht gerade leichtfällt –, und du bestehst immer noch darauf, dass es nur ein Abendessen war.»
    «Maude, du weißt, warum ich nicht …»
    «Nein, nein, lass uns nicht schon wieder alles auf den lieben Sim schieben.» Maude nahm das Stück Pitabrot wieder auf und dippte es in das Tsatsiki. «Irgendwann, mein wertes Mädchen, musst du damit aufhören, ihn zum Mittelpunkt von allem zu machen.»
    «Vielleicht ein bisschen früh dafür, oder?», murmelte Orla, der die Richtung, die das Gespräch nahm, gar nicht gefiel.
    «Finde ich nicht», entgegnete Maude. «Frauen, die Männer zum Mittelpunkt ihres Daseins machen, müssen später oft feststellen, dass das ein Fehler war.»
    «Das habe ich nie getan. Nie. Wenn überhaupt, dann habe ich Sim nicht wichtig genug genommen.»
    «Siehst du so deine Beziehung zu Sim?» Maude klang fasziniert.
    Orla spürte plötzlich heftiges Mitleid für auf Nadeln aufgespießte Schmetterlinge.
    «Dann siehst du das also anders.»
    Maude zögerte. «Das geht mich gar nichts an», sagte sie dann entschlossen. «Bitte, Liebes, vergib mir. Du musst nicht über Marek sprechen, wenn du nicht willst.»
    «Das ist schon in Ordnung.» Orla begutachtete das Festmahl vor sich. Jeder Krümel war Zeugnis von Maudes Einfühlsamkeit und Fürsorge. «Aber es gibt da wirklich nichts zu erzählen. Es war, was es war.»
    Sie fühlte sich deshalb schuldig, und gleichzeitig genoss sie es. Sie pflegte die Erinnerung daran und hütete sie wie ein Juwel. Juno hatte lange nachgebohrt, bis Orla endlich gestand, dass sie Marek anziehend fand, und zwar nicht nur körperlich; er war elegant und faszinierend, gleichzeitig offen und rätselhaft. Es gab noch eine Menge über ihn herauszufinden.
    «Ich habe ihn nur leider ein paar Jahre zu früh getroffen», hatte sie Juno erklärt. «Das Timing stimmt einfach nicht.»
    Orla hatte Juno dann zugestimmt, ja, das Timing sei irgendwie
immer
falsch, aber nein, sie wolle ihn nicht ermutigen.
    «Wir sehen ja, wohin das führt.» Es konnte nirgendwohin führen, weil Orla das nicht zuließ. Gefühlsmäßig hatte sie sich in eine Sackgasse manövriert.
    «Mal ganz abgesehen von
meinen
Verehrern», sagte Orla jetzt mit spitzbübischem Lächeln. «Was ist eigentlich mit George? Hmm?»
    «Du und Bogna, ihr seid sehr, sehr frech.» Maudes schmale, blassrosa Lippen pressten sich zusammen, bemüht, nicht zu lächeln. «Der arme Junge ist nur ein Kunde.»
    «Ach komm!»
    Orla war an diesem Abend auf dem Weg zu Sheraz gewesen, als Bogna sie zur Seite genommen und ins Hinterzimmer gezogen hatte. Sie hatte sie herumgedreht und gezwungen, durch den Perlenvorhang in den Laden zu spähen. «Sieh mal», hatte Bogna gezischt.
    Im Laden lungerte ein alter Mann vor den Gedichtbänden herum. Ein Schuljunge war in ein altes Comicjahrbuch vertieft und trank aus einer Colabüchse.
    «Der da!» Bogna zeigte mit dem Finger auf den Mann. «Maudes Macker!»
    Der Macker trug einen Regenmantel über Tweedhosen und ein altes Paar Schuhe, das auf Hochglanz poliert war. Er hatte eine Glatze und wirkte etwas farblos. Auf der Nase balancierte er eine Lesebrille, und Orla erkannte sofort, dass er nicht in dem Buch las, das er in der Hand hielt, sondern über den Rand seiner Brille zu Maude hinüberlinste.
    «Erzähl mal.»
    «Er kommt jeden Samstag. Kauft immer ein Buch. Und starrt immer.»
    «Er starrt Maude an?»
    «Ja. Wie Schaf. Sieh!» Bognas Skandallust und ihr knochiger Finger, mit dem sie in Richtung des alten Mannes stach, erinnerte Orla sehr an ihre weiblichen Verwandten zu Hause.
    «Ich seh’s», versicherte sie Bogna und wich ein paar Schritte vor ihr zurück. «Er ist ganz gefesselt.»
    «Was ist fesselt?»
    «Er ist hingerissen. Kann den Blick nicht von ihr wenden.»
    «Er ist verrückt danach.»
    «So verrückt, wie ein Rentner danach sein kann, nehme ich an. Wie reagiert Maude denn auf ihn?»
    «Schau. Er geht zu ihr hin!» Bogna hüpfte auf und nieder. Sie hatte ihre übliche Coolness offenbar vollkommen vergessen. «Pack sie, Mann!», zischte sie. «Küss sie!»
    Orla gab sich Mühe, das Gespräch zu belauschen. Der Macker fragte

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