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Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Titel: Ein letzter Brief von dir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Ashton
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Orlas Rücken und führte sie durch Doppelflügeltüren, die bis zur Decke reichten. «Wir schmeißen dich lieber gleich ins tiefe Wasser.»
    Überall plauderten die Leute angeregt und ausgelassen miteinander. Orla spürte, wie das Adrenalin durch ihre Adern schoss. Es fühlte sich an, als stünde sie auf den Zehenspitzen an einer Klippe, kurz vor einem Bungee-Sprung. Der Saal war weitläufig und üppig dekoriert (als ob Ludwig  XIV . mit Andy Warhol flirtete, und zwar vor chinesischen Tapeten). Unzählige Teelichter und Kerzen erhellten den Raum. Orla tat derjenige leid, der sich hatte bücken und recken müssen, um sie alle anzuzünden.
    «Hast du sie mitgebracht?», murmelte Reece. Sie gingen durch die Schneise, die sich wie von magischer Hand vor ihnen öffnete.
    Orla öffnete ihre Tasche und ließ ihn einen Blick auf den rosafarbenen Umschlag werfen.
    «Also bist du wirklich bereit dazu?» Reeces Augen wirkten plötzlich traurig.
    «Bin ich. Ganz plötzlich wage ich es.»
    «Hat es zu tun mit …» Reece machte eine kurze Handbewegung in Richtung Marek, der hinter ihnen herging. «Ich habe fast meinen Ohren nicht getraut, als du gesagt hast, dass du jemanden mitbringen würdest.»
    «Nein, das hat nichts mit ihm zu tun.» Orla spürte, dass Reece ihr nicht glaubte, aber sie beließ es dabei. Schließlich glaubte sie sich selbst nicht wirklich. «Es hat mit mir zu tun.»
    «Schau, hier kann man sich nett hinsetzen und Leute beobachten.»
    Reece zeigte auf einen Samtsessel mit hohem Rücken, der die Farbe von verfaulten Pflaumen hatte. Orla ließ sich hineinsinken, während er selbst sich auf die Armlehne hockte. Marek stellte sich daneben und musterte Reece mit einem Blick von der Seite.
    «Also», sagte Reece leise und beugte sich zu Orla herunter. «Wie wollen wir es machen? Ich hoffe, Schätzchen, dass du dich dagegen entschieden hast, sie zu lesen?»
    Orla nickte.
    «Soll ich dabei sein? Falls du mich brauchst? Ich will nicht, dass du damit allein bist.»
    Reece schien Marek loswerden zu wollen. «Okay», nickte Orla. «Das wäre schön.»
    «Es ist mir eine Ehre. Und Sim würde wollen, dass ich darauf achte, dass du heil aus der Sache herauskommst. Sollen wir sagen: in einer Stunde? Wollen wir es ein wenig feiern?»
    «Klar. Ist Anthea auch schon da?» Orla konnte an diesem Abend nicht von Sim sprechen. Sie war viel zu dünnhäutig, viel zu sehr von Zweifeln geplagt.
    «Warum?»
    «Was soll das heißen: warum?», lachte Orla. «Sie kommt dem Konzept ‹alte Bekannte› auf dieser Party noch am nächsten.»
    «Ach so, na klar, sie ist hier irgendwo, wahrscheinlich verführt sie gerade einen Kellner oder fummelt mit einem Produzenten. Wenn man am wenigsten damit rechnet, steht sie plötzlich tanzend auf dem Tisch.»
    Reece musste betrunken sein, wenn er so redete. Orla schaute in seine leuchtend blauen, irgendwie kalten Augen und dachte plötzlich: Vielleicht hat er etwas eingeworfen. Sie hatte keine Ahnung, was das sein konnte – sie war eher der Typ Frau, der schon Bedenken hatte, bei Kopfschmerzen Aspirin zu nehmen –, aber sie hatte ausreichend nebulöse Hinweise auf «Unartigkeit» von Sim erhalten, um zu ahnen, dass er in seinen letzten Monaten vermutlich Drogen genommen hatte. Sie war immer an seiner Schwäche verzweifelt und hatte bemerkt, wie bemüht lässig er reagiert hatte, wenn sich die Leute auf einer Party zuflüsterten, dass ein gewisser Charlie gekommen sei. Und sie hatte seine Lebhaftigkeit bemerkt, seine geweiteten Pupillen, sein getriebenes Geplapper und das unerträgliche Geschniefe danach. Orla hatte ihm seine Lügen durchgehen lassen, aber dennoch war sie sehr besorgt gewesen, wenn sie wusste, dass er wieder ohne sie durch Londons angesagteste Clubs zog.
    «Wie hättest du es denn gern?», fragte Reece und riss sie damit aus ihren Gedanken. «Ich meine, soll ich dich vorstellen? Ich kann dich zu ein paar wichtigen Leuten bringen und ihnen sagen, dass du Sims Freundin bist. Auch wenn er nicht dabei ist, sprechen doch alle über ihn. Er ist der größte Star auf dieser Party, und das ist, wie wir alle wissen, genau das, was er wollte.»
    «Oh nein, nein, bitte stell mich auf keinen Fall diesen
wichtigen Leuten
vor!» Orla fand es lustig, dass Reece ihre Reaktion offenbar gar nicht lustig fand: Hier unterschieden sie sich ganz grundsätzlich. Er war Agent vom Scheitel bis zur Sohle, und sie, nun ja, sie war ein
normaler Mensch
, wie Sim die Leute nannte, die keine Schauspieler waren.

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