Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Titel: Ein letzter Brief von dir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Ashton
Vom Netzwerk:
zu den Wohnzimmerfenstern ging. Orla schob die Spitzengardine zur Seite und schaute hinaus auf die dunkle Straße. Unter dem riesigen Bild von Sim (auf das jemand Graffiti-Genitalien geschmiert hatte) parkte ein Auto mit einem langen Kühler am Bordstein. Auf dem Bürgersteig stand Marek und schaute zum Fenster hoch. Er sah sie und lächelte.
    Sie nahm ihre für die Nacht im Hotel gepackte Tasche und rief Maude die Treppe hoch ein Tschüs zu (die antwortete: «Tu alles, was ich nie tun würde!»). Dann rannte sie die Treppe zur Haustür hinunter, ganz krummbeinig, weil sie die hohen Absätze nicht gewohnt war. Sie hielt inne und presste das Abendtäschchen an ihr Gesicht. Die Perlen fühlten sich kühl an auf ihren Lippen. «Er ist eigentlich gar nicht meine Begleitung», flüsterte sie. «Denn das bist du.»
    Sims Tagebuch
    13 . Februar 2012
     
    Sie wird ihn in etwa zehn Stunden öffnen. Ich fühle mich wie der Tod auf Latschen. Sind das die Nerven? Oder ist es der Brandy, den ich nach dem Abendessen getrunken habe? Es ist schon Mitternacht. Die Zeit verfliegt nur so, wenn man Schiss hat. Muss unbedingt schlafen und aufhören, mir wegen morgen Sorgen zu machen. Ich hab schließlich noch viele morgens, und nach diesem speziellen werden alle anderen den rosigen Schimmer eines neuen Anfangs haben.
    Die Gartenleuchten erhellten den Kiesweg, der zu einem weitläufigen, mit Schindeln gedeckten Haus führte. Aus den Fenstern leuchtete es bernsteinfarben und versprach gehobenen Spaß. Orla hasste ihr Kleid plötzlich. Ihr war zu spät aufgefallen, dass das Täschchen gar nicht dazu passte. Die Valentinskarte in der Tasche fühlte sich so schwer wie Blei an. Unsicher griff sie nach Mareks Arm und ließ ihn gleich wieder los, als hätte sie sich daran verbrannt. Lichterketten waren um die Buchsbaumhecken links und rechts der Tür geschlungen. Alles sah perfekt aus. Sim hätte es geliebt. Er wäre vor Ungeduld fast geplatzt. Sie sah zu Marek hoch und bemerkte, wie er seinen maskenhaft glatten Gesichtsausdruck aufsetzte, einen ruhigen, beinahe geschäftsmäßigen Blick, der andeutete, dass er das hier eher für eine Qual als für ein Vergnügen hielt. Er spürte ihren Blick, sah sie an und lächelte, sodass sich seine Augen zu Halbmonden verengten.
    Die Tür öffnete sich, bevor Marek klingeln konnte, und sie traten in eine große Halle, in der sich eine mittelalterliche Rüstung, ein Foto von Sam Taylor-Wood, das einen weinenden Daniel Craig zeigte, ein ehrwürdiger eichener Treppenaufgang und ein paar berühmte Leute versammelt hatten.
    Es ist wie im Traum
, dachte Orla,
wenn man Leute erkennt, die man noch nie getroffen hat.
Ob es ein schöner Traum oder ein Albtraum war, musste sie erst noch herausfinden. Sie hob das Kinn, ein Zeichen von Unsicherheit, das Sim sofort erkannt und mit einem Druck seiner Hand beantwortet hätte – oder mit dem Tätscheln ihrer Schenkel: Partys holten immer das Schlimmste aus ihm heraus.
    Orla wechselte einen heimlichen Blick mit Marek, als eine junge Schauspielerin, die mehr für ihre Schönheit als für ihr Talent bekannt war, mit einem Glas in der Hand die Treppe hinabschwebte. Eine Sängerin, für deren Konzertkarten Orla einmal Schlange gestanden hatte, ging vorbei und zirpte über die Schulter: «Bin gleich wieder da!» Ein gelangweilt aussehender Mann, der eine renommierte BBC 4 -Serie über die Renaissance moderierte, folgte ihr.
    «Es ist ein bisschen so», flüsterte Orla Marek zu, während sie sich durch das Gedränge auf ein Champagnertablett zubewegten, «als ob man träumt, dass man die Queen trifft, und plötzlich feststellt, dass man keine Unterhosen trägt.»
    Mareks Gesichtsausdruck zeigte ihr, dass er niemals solche Träume hatte.
    Reece kam auf sie zu. Er trug einen Smoking und sein fuchsrotes Haar wie eine Kappe mit schimmerndem Gel zurückgekämmt. Er nahm Orla den Mantel ab und reichte ihn einem der Kellner, der genau in der richtigen Sekunde auftauchte. «Du hast mir den Abend gerettet», sagte er leise, bevor er sich Marek zuwandte, um ihn zu begrüßen. An Marek gewandt, sagte er: «Ich freue mich sehr, dass Orla in Begleitung gekommen ist. Sie braucht jemanden, der sich um sie kümmert.» Orla hatte das Gefühl, einen Hauch Zurückhaltung in seinem Ton wahrgenommen zu haben.
    «So, braucht sie das?» Der Kommentar schien Marek ebenso sehr zu amüsieren, wie er Orla ärgerte.
    «Also los, Leute.» Reece überging die Frage und wandte sich ab. Er legte die Hand auf

Weitere Kostenlose Bücher