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Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Titel: Ein letzter Brief von dir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Ashton
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ihre eigene Schand’.»
     
    Eine Feier stand an. Nicht wegen der überschwänglichen Kritiken zur «Kurtisane», sondern wegen Abenas Gesichtsausdruck, als sie in den kalten Klassenraum mit seinen hohen viktorianischen Fenstern trat und verkündete: «Ich darf bleiben! Ich darf bleiben in diesem wunderbaren Land!»
    Orla lud alle achtzehn Schüler aus ihrem globalen Stamm zu Kaffee und Kuchen ein. «Es ist ein Rollenspiel», sagte sie ihnen (und sich selbst). «Wir spielen Leute, die begeistert über das Glück ihrer Freundin sind.»
    «Alles, was ich jetzt noch brauche», sagte Abena und beugte sich dabei vertraulich vor, sodass das Tuch, das sie kunstvoll auf ihrem Kopf verknotet hatte, Orlas Ponyfransen streifte, «ist Mann für die Liebe.» Sie wackelte mit den Schultern. «Ich bin bereit für ihn!»
    «Es gibt eine Menge Männer in London», murmelte Orla und nippte an ihrem Latte Macchiato.
    «Ja, aber ich will nicht einfach Mann.» Abena sah finster drein. «Ich will nicht faulen, verdammt rauen Mann. Ich will besonderen Mann.»
    «Ich auch.» Javier hatte mitgehört. Sein spanischer Akzent klang tief und kehlig. «Ich will
echten
Mann. Du weißt, was ich meine?»
    Alle johlten und prusteten. Sie wussten offenbar, was er meinte.
    Orla, die immer noch nicht ganz mit ihrer Rolle als Lehrerin von Erwachsenen vertraut war, wusste nicht, ob sie mit einstimmen oder sich zurückhalten sollte. Javier zeigte mit dem Finger auf sie und ließ ihr keine Wahl. Er fragte: «Orla, hast du Liebhaber?»
    Alle juchzten entzückt. Abena schimpfte empört: «Javier, du bist frecher Junge!» Orla spürte, dass sie rot wurde. Die Wahrheit auszusprechen wäre, wie einen Eimer eiskaltes Wasser über die Gesellschaft auszukippen. «Mein Geliebter ist tot» war definitiv ein Stimmungstöter.
    «Ich war kürzlich mit einem Mann im Restaurant. Nicht faul, Abena, auch nicht verdammt rau. Es gibt ein paar anständige Männer in London, wenn man genau hinsieht.»
    «Ooh», sagte Sanae, ein japanisches Mädchen mit Puppengesicht, dessen Vorliebe für kindliche Kniestrümpfe Orla immer wieder ratlos machte. «Ruft er dich ständig an? Bittet er um neues Treffen?»
    «Na ja, eigentlich nicht.» Orla zuckte die Achseln. «Tut mir leid, aber das tut er nicht.»
    «Ich glaube», sagte Abena mit hochgerecktem Kinn und betrachtete Orla zutiefst missbilligend, «du erm… erm…»
    «Ermutigst?»
    «Ja. Du ermutigst die Männer nicht.» Abena senkte ihr fleischiges Kinn und fixierte Orla mit ihren runden, braunen Augen. «Manchmal denke ich, du bist wie Nonne. Wofür sparst du auf?» Sie hielt inne, um sich für ihren nächsten Vorstoß zu wappnen. «Für die Würmer?»
     
    Es war wirklich offensichtlich. Das Essen, das auf Maudes Couchtisch stand, die Kerzen, die auf dem Kaminsims brannten, Cole Porter, der im Hintergrund sang, all das war ein Trick, um Orla schmerzfrei durch Folge zwei der «Kurtisane» zu schleusen. Maude behauptete, das Essen sei ganz spontan, aber Orla hatte das Telefongespräch mitgehört, in dem Maude Sheraz gebeten hatte,
vernünftige Oliven, bitte, die dicken, fleischigen, gutes Hummus, Pitabrot und ordentliches Tsatsiki
zu bringen.
    «Ich mag Motto-Essen genauso sehr wie alle anderen Frauen», sagte Orla und erhob sich von einem weißen Kissen, das auf dem Boden lag. «Aber, meine Güte, Maude, ich kann keinen einzigen Schluck mehr von diesem Retsina trinken.»
    Mit pochenden Lippen ging sie zum Kühlschrank, um die gekühlte Flasche Weißwein herauszuholen, die sie mitgebracht hatte.
    «Bogna hat mich heute sehr zum Lachen gebracht», sagte Maude, die mit gekreuzten Beinen auf dem Boden saß und damit Orlas Vorstellungen davon trotzte, was die ältere Generation mit ihren unteren Gliedmaßen anstellen konnte. «Sie hat zu mir gesagt:
Was mein Bruder will, mein Bruder bekommt
.» Maude ließ ein klirrendes, etwas künstliches Lachen hören.
    «Wieso war das lustig?», fragte Orla. «Kann es sein, dass du nach etwas angelst, Frau Maude Roxby-Littleton?»
    «Ja!», sagte Maude mit Nachdruck und stellte das klirrende Lachen ein. «Was ist letzten Samstag geschehen? Du hast gar nichts davon erzählt, Orla. Das ist sehr grausam von dir.»
    Genau wie Ma
, dachte Orla.
Die eine ist eine feine Dame, die andere so irisch wie ein Glas Guinness, aber beide leben nur durch mich.
    «Ich habe nichts erzählt, weil es nichts zu erzählen gibt.»
    «Oh, ich
hasse
es, wenn du das tust!» Maude klatschte ihr Pitabrot zurück auf den

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