Ein liebender Mann
Sonnenhelle.
Dem Frieden Gottes, welcher euch hienieden
Mehr als Vernunft beseliget – wir lesen’s –
Vergleich’ ich wohl der Liebe heitern Frieden
In Gegenwart des allgeliebten Wesens;
Da ruht das Herz, und nichts vermag zu stören
Den tiefsten Sinn, den Sinn ihr zu gehören.
In unsers Busens Reine wogt ein Streben,
Sich einem Höhern, Reinern, Unbekannten
Aus Dankbarkeit freiwillig hinzugeben,
Enträthselnd sich den ewig Ungenannten;
Wir heißen’s: fromm sein! – Solcher seligen Höhe
Fühl’ ich mich theilhaft wenn ich vor ihr stehe.
Vor ihrem Blick, wie vor der Sonne Walten,
Vor ihrem Athem, wie vor Frühlingslüften,
Zerschmilzt, so längst sich eisig starr gehalten,
Der Selbstsinn tief in winterlichen Grüften;
Kein Eigennutz, kein Eigenwille dauert,
Vor ihrem Kommen sind sie weggeschauert.
Es ist als wenn sie sagte: «Stund’ um Stunde
Wird uns das Leben freundlich dargeboten,
Das Gestrige ließ uns geringe Kunde,
Das Morgende, zu wissen ist’s verboten;
Und wenn ich je mich vor dem Abend scheute,
Die Sonne sank und sah noch was mich freute.
Drum thu’ wie ich und schaue, froh verständig,
Dem Augenblick in’s Auge! Kein Verschieben!
Begegn’ ihm schnell, wohlwollend wie lebendig,
Im Handeln sei’s zur Freude, sei’s dem Lieben;
Nur wo du bist sei alles, immer kindlich,
So bist du alles, bist unüberwindlich.»
Du hast gut reden, dacht’ ich, zum Geleite
Gab dir ein Gott die Gunst des Augenblickes,
Und jeder fühlt an deiner holden Seite
Sich Augenblicks den Günstling des Geschickes;
Mich schreckt der Wink von dir mich zu entfernen,
Was hilft es mir so hohe Weisheit lernen!
Nun bin ich fern! Der jetzigen Minute
Was ziemt denn der? Ich wüßt’ es nicht zu sagen;
Sie bietet mir zum Schönen manches Gute,
Das lastet nur, ich muß mich ihm entschlagen;
Mich treibt umher ein unbezwinglich Sehnen,
Da bleibt kein Rath als gränzenlose Thränen.
So quellt denn fort! und fließet unaufhaltsam;
Doch nie geläng’s die innre Glut zu dämpfen!
Schon rast’s und reißt in meiner Brust gewaltsam,
Wo Tod und Leben grausend sich bekämpfen,
Wohl Kräuter gäb’s, des Körpers Qual zu stillen;
Allein dem Geist fehlt’s am Entschluß und Willen,
Fehlt’s am Begriff: wie sollt’ er sie vermissen?
Er wiederholt ihr Bild zu tausendmalen.
Das zaudert bald, bald wird es weggerissen,
Undeutlich jetzt und jetzt im reinsten Strahlen;
Wie könnte dieß geringstem Troste frommen,
Die Ebb’ und Fluth, das Gehen wie das Kommen?
Verlaßt mich hier, getreue Weggenossen!
Laßt mich allein am Fels, in Moor und Moos;
Nur immer zu! euch ist die Welt erschlossen,
Die Erde weit, der Himmel hehr und groß;
Betrachtet, forscht, die Einzelheiten sammelt,
Naturgeheimniß werde nachgestammelt.
Mir ist das All, ich bin mir selbst verloren,
Der ich noch erst den Göttern Liebling war;
Sie prüften mich, verliehen mir Pandoren,
So reich an Gütern, reicher an Gefahr;
Sie drängten mich zum gabeseligen Munde,
Sie trennen mich, und richten mich zu Grunde.
2.
Weimar, 15. Oktober 1823
Liebe Ulrike,
die Elegie ist aus dem Haus. Dreierlei kann man nicht bei sich behalten: Feuer, Liebe, Verse. Ich habe zu lange den Abgeklärten gespielt! Jetzt habe ich Stadelmann bestochen und ihm gesagt, dass es sich um eine Bestechung handelt, die Summe hat ihn sprachlos gemacht, er hat sich verneigt wie ein Akrobat. Er hat Bad Berka vorgeschlagen. Damit ist die Elegie in der Welt. Die Kraft für diesen Kraftakt kam aus dem Schwächeanfall, der mich vorgestern Abend aus dem Blauen Zimmer getrieben hatte. Ach, Ulrike, so sollten Zimmer nicht mehr heißen. So heißt dieser Salon, weil seine Wände blau sind. Und gleich daneben der Gelbe Salon. Arnikagelb, Ulrike. Gemacht hat’s der Kunst-Meyer vom Zürichsee, mein Verzweifler Nr. 1, der vor 30 Jahren das Haus umgebaut hat für mich. Wenn Sie je die langsamsten, die hingezogensten Stufen der Welt, nämlich die von mir entworfene Treppe gegangen sind, die ich gezeichnet habe, als ich von Ihnen nichts wusste, die mich aber jetzt nur noch an Ihre Art zu gehen erinnert, so locker, wie Sie gehen, Sie schreiten nämlich, aufwärts auch auf der Ebene – diese Treppe führt nicht ordinär vom Platz draußenins Haus hinein, sondern erst innen von der Einfahrt zum Hof –, wenn Sie also mit Ihrem aufwärts gleitenden Schritt auf der obersten Stufe angekommen sind, lesen Sie auf der
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