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Ein liebender Mann

Ein liebender Mann

Titel: Ein liebender Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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die Zeit des Fluchens, du kannst weinen, fluchen, dem Alleinsein ist es egal, ob du weinst oder fluchst, das Alleinsein hat kein Echo, wirf bloß die Elegie weg, das Pseudo-Alleinsein, ins Feuer mit ihr, dass die Erde befreit ist von der Kulturlüge, vom edlen Schein, von der Vortäuschung der Lebensmöglichkeit auf dem Papier, jetzt ist es so weit, die Elegie ist entlarvt, ein Gesumms, das verlogenste Hinken der Welt, gibt sich als Tanz und ist Hinken, jetzt ist es so weit, die Elegie hat nichts bewirkt als Mitgesumms, das Weinen ohne Tränen, dafür Wörter, jetzt ist es so weit, sie sind bei einander, du bist allein, du hättest alles wissen können, du hast alles gewusst, du bist der große Selbsttäuscher, du verführst andere zur Selbsttäuschung, zur Elendserduldung, dann ist es so weit, dann schreist du nach der Katastrophe, jetzt, Elegie, wo bist du, was machst du, nichts, nichts, nichts, die liegen bei einander ganz ohne Elegie, das Leben braucht keine Elegie, das Leben verachtet die Elegie, jetzt ist es so weit, wie weit sind sie jetzt, gerade jetzt, ja, ich will’s wissen, sehen, hören, spüren, riechen, wie weit jetzt, ihr, nur in dieser, in dieser und in dieser Sekunde, fühl dich nicht gemeint von dem, was dort passiert, die lachen nicht über dich, die reden nichtüber dich, die wissen nicht, dass es dich gibt, es gibt dich ja auch nicht, jetzt ist es so weit, es gibt nur den, der mit ihr im Bett liegt, mit ihr die zärtlichste Rücksichtslosigkeit der Welt durchtobt, jetzt ist es so weit, es gibt jetzt nur noch den größtmöglichen Schmerz, meine Existenz ist gleich der größtmögliche Schmerz an sich, ich bin um einen Tag schwächer als gestern, ich könnte eine Lüge aus Straßburg brauchen, wie viel wertvoller wäre jetzt eine Lüge als diese herrschende Wahrheit, die heißt: die in Straßburg weiß nichts von mir, ich kann dich anrufen, wie man Gott angerufen hat, den gibt es auch nicht, es hat vielen geholfen, ihn anzurufen, dich gibt es, wie es Gott nie gegeben hat, ich habe jede Abwehr geprobt, dann, in einer Sekunde, erscheinst du von einer Seite, von der du noch nie erschienen bist, hinterrücks überfällt mich die Vorstellung, ich lasse mich überleben unter allen Umständen, das ist der Grund für die nächste Niederlage, dass du noch mitschreibst, wundere dich nicht, sie wird es nicht zu lesen kriegen, du hast nur noch eine Leserin, des Teufels Großmutter, das ist die zärtlichste Frau der sonst, was Zärtlichkeit angeht, misslungenen Schöpfung, sie ist die Geliebte der Zukunftslosen, der Alleinseienden, der dummen Hummeln, die gegen die undurchsichtige Glaswand Unmöglichkeit prallen und abprallen und stürzen und gleich wieder auffliegen, die Welt ist ein Gesumms, und des Teufels Großmutter ist das einzige Wesen zur sofortigen Übernahme der Weltregierung, Elegien verlacht sie, von Elegien kriegt sie Brechreiz, jetzt ist es so weit, du schreibst endlich, wofür du immer hättest schreiben sollen, für des TeufelsGroßmutter, die zärtlichste Frau der Welt, des Teufels Großmutter lebt von einem einzigen Satz, mein Leib und Seelensatz, sagt des Teufels Großmutter, ist der Satz: Nichts bleibt ohne Wirkung! Sie ist meine Gewähr, die Gewähr derer, denen was zu wünschen übrig blieb, derer, die von der Hieb- und Stich-Welt der Moral erledigt worden sind, wenn aber jetzt eine schriebe, ein lavendelblaues Billet aus reiner Mitternacht, mit einem Satz drauf, einem einzigen, ein einziges Wort reichte schon, nichts als ihr Name, von ihrer Hand geschrieben, reichte, wenn sie einen Eilboten drei Pferde zuschanden reiten ließe, dass er noch vor Mittag hier einträfe, das Billet überreichte, dann samt dem vierten Pferd tot zusammenbräche, dann   …
    Das hoffe ich nicht, dass ich je wieder hoffe, mich je wieder täusche. Wenn du noch einmal wartest, gehörst du erschossen, von dir selbst. Sag es dir, wenn du noch einmal wartest auf sie, etwas erwartest von ihr, bist du des Todes, Hinrichtung ohne Brimborium, allerdings im Wald, da möchte es gleich wieder losgehen, jetzt ist es so weit, nichts mehr wird losgehen, jetzt ist es so weit, endgültig, wozu gab es dieses Wort, jetzt ist es so weit, endlich, endgültig, ich erwarte nichts mehr   … Und bin nicht Herr in mir, verspreche alles, um es nicht zu halten. Des Teufels Großmutter nimmt mich in ihre Arme: Kümmere dich nicht ums Geblöke der alles beweisenden Welt, tu, was sich nicht gehört, was keiner versteht, auch du selber

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