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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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eine Leihmutter, und haben wir das nicht, müssen wir uns auf die raue See des Adoptionsverfahrens wagen, wo gleichgeschlechtliche Paare häufig einfach abgewiesen werden.
    Ich war nie die Art von Mädchen, die von Babys geträumt und das Muttersein mit Puppen trainiert hat. Und als Einzelkind hatte ich auch nicht die Chance, mich um jüngere Geschwister zu kümmern. Vor Zoe hatte ich jahrelang keine feste Beziehung mehr. Deshalb hätte ich mich auch einfach nur mit Liebe zufriedengegeben, Kinder mussten nicht sein.
    Außerdem, habe ich mir selbst immer wieder gesagt, hatte ich ja schon Kinder. Gut sechshundert davon, in der Wilmington Highschool. Ich hörte ihnen zu, weinte mit ihnen und sagte ihnen, dass alles wieder gut werden würde. Ich denke selbst noch an diejenigen, die schon längst ihren Abschluss gemacht haben, und halte auf Facebook Kontakt zu ihnen. Ich genieße es zu wissen, dass tatsächlich alles wieder gut geworden ist.
    Doch in letzter Zeit habe ich viel nachgedacht.
    Was, wenn ich nicht nur zwischen acht und drei die Ersatzmutter für jemanden sein würde, sondern eine echte? Was, wenn ich als Teilnehmerin zum Elternabend gehen würde und nicht als Rednerin? Was, wenn ich eines Tages auf der anderen Seite des Schreibtischs einer Schulpsychologin sitzen und für meine Tochter kämpfen würde, die unbedingt in einen schon überfüllten Englischkurs will?
    Ich habe dieses Gefühl noch nicht gehabt, dieses Gefühl, dass Leben in mir wächst. Aber ich wette, das ist ein wenig wie Hoffnung. Hat man es einmal empfunden, dann bemerkt man, wenn es fehlt.
    Zoe und ich, wir haben unser Baby noch nicht bekommen, aber wir haben uns erlaubt zu träumen. Und eines muss ich Ihnen gestehen: Von diesem Augenblick an war es um mich geschehen.
    Der Morgen war höllisch. Ein Zehntklässler wurde der Schule verwiesen, weil er versucht hatte, mit Hustensirup high zu werden. Aber im Augenblick ist alles ruhig. Ich könnte Zoe anrufen, aber ich weiß, dass sie gerade alle Hände voll zu tun hat. Durch den Besuch bei GLAD hat sie einen Tag im Krankenhaus verloren. Sie hat auch ihren Termin mit Lucy verschoben, um ein paar Stunden mit den Kindern auf der Station für Brandverletzungen zu verbringen. Es ist Mai, und ich habe eigentlich auch genug zu tun, doch anstatt zu arbeiten, schalte ich den Computer ein und googele ›Schwangerschaft‹.
    Ich klicke auf den ersten Link. 3. Woche, 4. Woche lese ich. Ihr Baby ist so groß wie ein Mohnsamen.
    7. Woche. Ihr Baby ist so groß wie eine Blaubeere.
9. Woche. Ihr Baby ist so groß wie eine Olive.
19. Woche. Ihr Baby ist so groß wie eine Mango.
26. Woche. Ihr Baby ist so groß wie eine Aubergine.
Entbindung: Ihr Baby ist so groß wie eine Wassermelone.
    Ich drücke die Hand auf meinen Unterleib. Es kommt mir schier unglaublich vor, dass dort schon bald jemand leben wird. Jemand so groß wie eine Olive. Warum vergleichen die eigentlich alles mit Nahrungsmitteln? Kein Wunder, dass Schwangere ständig Hunger haben.
    Plötzlich platzt Lucy in mein Büro. »Was soll die Scheiße?«, knurrt sie.
    »Keine Schimpfworte, bitte«, erwidere ich.
    Sie rollt mit den Augen. »Wenn ich mir schon die Zeit nehme, mich mit ihr zu treffen, dann sollte sie zumindest so höflich sein und auftauchen.«
    Ich kann Lucys Wut leicht deuten. Sie ist einfach nur enttäuscht, weil ihre Sitzung verschoben worden ist. Und obwohl sie eher sterben würde, als das zuzugeben: Sie freut sich auf ihr Treffen mit Zoe.
    »Ich habe dir eine Nachricht an den Spind geklebt«, sage ich. »Hast du sie nicht bekommen?« So kommuniziert man in dieser Schule: indem man alles Mögliche von Therapiesitzungen bis hin zu Footballtrainings auf winzige Notizzettel schreibt und an den Spind von jemandem klebt.
    »Ich gehe noch nicht einmal in die Nähe meines Spinds. Letztes Jahr hat mir da jemand eine tote Maus reingesteckt.«
    Das ist widerlich, aber keine Überraschung. Die Grausamkeit von Teenagern kennt bekanntlich keine Grenzen. »Zoes Terminplan ist diese Woche ein wenig chaotisch«, erkläre ich. »Zum nächsten Termin ist sie wieder hier.«
    Lucy fragt mich nicht, woher ich das weiß. Sie weiß nicht, dass ich mit ihrer Musiktherapeutin verheiratet bin. Aber zu hören, dass Zoe nicht für immer gegangen ist, scheint sie ein wenig zu beruhigen. »Sie kommt also zurück, ja?«
    Ich lege den Kopf auf die Seite. »Willst du das denn?«
    »Wundern würde es mich nicht, wenn sie mich im Stich lassen würde. Das ist doch

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