Ein Lied für meine Tochter
auszustei…«
»Max!« Als wir eine weitere Stimme und dann das Knallen einer Autotür hören, drehen wir beide uns um.
Der Cop tritt einen Schritt zurück, als Liddy sich zu meinem Fenster hinabbeugt. »Was hast du dir nur dabei gedacht, selbst in die Notaufnahme zu fahren?« Sie dreht sich zu dem Polizisten um. »Oh, Grant, Gott sei Dank, dass du ihn gefunden hast …«
»Aber ich bin nicht …«
»Er ist von der Leiter gefallen, als er die Regenrinne sauber gemacht hat. Dabei hat er sich den Kopf angestoßen. Ich bin schnell ein Kühlpack holen gegangen, und als ich wieder zurückgekommen bin, habe ich ihn in seinem Truck wegfahren sehen.« Sie schaut mich tadelnd an. »Du hättest dich umbringen können! Oder schlimmer noch: Du hättest jemand anderen umbringen können! Hast du mir nicht selbst gesagt, du würdest alles doppelt sehen?«
Ganz ehrlich, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Hat sie sich vielleicht den Kopf angeschlagen?
Liddy öffnet die Fahrertür. »Rutsch rüber, Max«, sagt sie, und ich schnalle mich ab und klettere auf den Beifahrersitz. »Grant, ich kann dir gar nicht genug danken. Wir haben ja so ein Glück, dich als Polizeibeamten zu haben, ganz zu schweigen davon, dass du auch Mitglied unserer Gemeinde bist.« Sie schaut ihn an und lächelt. »Wärst du so lieb und würdest dafür sorgen, dass mein Wagen wieder nach Hause kommt?«
Liddy winkt ihm zu und fährt los.
»Ich habe mir den Kopf nicht …«
»Glaubst du, das weiß ich nicht?«, schnappt Liddy. »Ich habe nach dir gesucht. Reid hat mir erzählt, du hättest ihn an der Anlegestelle verlassen, um Pastor Clive zu helfen.«
»Das stimmt.«
Sie schaut mich an. »Das ist ja komisch. Ich war nämlich den ganzen Nachmittag bei Pastor Clive, und ich habe dich nicht gesehen.«
»Hast du das Reid erzählt?«
Liddy seufzt. »Nein.«
»Ich kann das erklären …«
Sie hebt die schmale Hand. »Nicht, Max … Lass es einfach.« Dann rümpft sie die Nase und sagt: »Whiskey.«
Ich schließe die Augen. Was für ein Idiot ich doch war zu glauben, damit durchzukommen. Ich stinke nach Alkohol. »Woher weißt du das, wenn du noch nie welchen getrunken hast?«
»Weil mein Daddy ihn getrunken hat, als ich noch ein Kind war, jeden Tag«, antwortet Liddy.
Sie sagt das in einem Ton, der zu sagen scheint, dass ihr Vater, der Prediger, seine Dämonen auch im Alkohol ertränken wollte.
Liddy fährt an der Abzweigung vorbei, die zu unserem Haus geführt hätte. »Der Herr weiß, dass ich dich in diesem Zustand nicht nach Hause bringen kann«, sagt sie.
»Du könntest mir ja eine überbraten und mich ins Krankenhaus bringen«, murmele ich.
Liddy schürzt die Lippen. »Glaub ja nicht, dass ich nicht daran gedacht hätte«, sagt sie.
Der heftigste Streit, den ich je mit Zoe geführt habe, fand kurz nach Weihnachten in Reids und Liddys Haus statt. Zu dem Zeitpunkt waren wir gut fünf Jahre verheiratet und hatten schon etliche Albträume durchgestanden bei unserem Versuch, ein Kind zu bekommen. Aber wie auch immer, es ist kein großes Geheimnis, dass Zoe kein besonderer Fan meines Bruders und seiner Frau war. Sie hatte den ganzen Tag über den Wetterkanal geschaut in der Hoffnung, mich davon zu überzeugen, dass es in der Nacht viel zu stark schneien würde, um zu riskieren, zu Reid und Liddy zu fahren.
Liddy liebte Weihnachten. Sie schmückte alles, doch nicht kitschig, sondern mit echten Girlanden am Treppengeländer und Mistelzweigen über den Türen. Sie besaß eine Sammlung antiker Holznikoläuse, die sie zu den Festtagen auf Fensterbänke und Tische stellte, und das Alltagsgeschirr tauschte sie gegen Geschirr mit aufgemaltem Ilex auf dem Rand. Reid hat mir mal erzählt, dass Liddy sich einen ganzen Tag lang Zeit nehmen würde, um das Haus auf Weihnachten vorzubereiten, und wenn ich mich so umsah, glaubte ich das sofort.
»Wow«, murmelte Zoe, während wir im Flur darauf warteten, dass Liddy uns die Mäntel abnahm und in die Garderobe brachte. »Das ist ja wie auf einem Bild von Thomas Kinkade.«
In diesem Augenblick kam Reid und brachte uns Becher mit heißem Cidre. Er trank nie, wenn ich dabei war. »Frohe Weihnachten«, sagte er, schlug mir auf den Rücken und küsste Zoe auf die Wange. »Wie sind die Straßen?«
»Übel«, antwortete ich. »Und es wird schlimmer.«
»Vermutlich werden wir nicht allzu lange bleiben können«, fügte Zoe hinzu.
»Auf dem Weg zurück von der Kirche haben wir einen Wagen gesehen, der von der
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