Ein Lied für meine Tochter
dass es das Hauptziel einer jeden Spezies ist, die stärksten Gene an die nächsten Generationen weiterzuvererben. Da Homosexuelle nur zwanzig Prozent der Nachkommenschaft von Heterosexuellen zeugen, wäre dann dieses ›schwule Gen‹ nicht schon längst durch natürliche Auslese ausgestorben?« Sie lächelt. »Sie können die biologische Karte nicht spielen, wenn Sie sie nicht auch belegen können.«
Die Anwältin wischt diese Bemerkung einfach beiseite. »Ich bin nur eine bescheidene Anwältin, Dr. Newkirk. Ich würde mir nie anmaßen, mich als Wissenschaftlerin oder Pseudowissenschaftlerin zu versuchen. Nun, einer Ihrer Gründe, warum Sie die Erziehung von Kindern in heterosexuellen Beziehungen befürworten, ist der, dass das Kind Probleme bekommen könnte, wenn es nicht mit Vater und Mutter aufwächst, korrekt?«
»Ja.«
»Wenn also ein Elternteil in einer heterosexuellen Familie stirbt, dann sollte man das Kind Ihrer Meinung nach dem verbliebenen Elternteil wegnehmen und es einem anderen heterosexuellen Paar geben, ja?«
»Das wäre lächerlich. Die optimale Lebenssituation für ein Kind schließt Mutter und Vater mit ein, aber das ist offensichtlich nicht immer gegeben. Tragödien passieren nun einmal.«
»Wie zum Beispiel, einer biologischen Mutter die Embryonen wegzunehmen?«
»Einspruch!«
Der Richter runzelt die Stirn. »Stattgegeben.«
»Ich nehme die Aussage zurück«, sagt Angela Moretti.
»Eigentlich würde ich gerne darauf antworten«, sagt Dr. Newkirk. »Ich kann Miss Moretti auf zahlreiche Studien verweisen, die allesamt belegen, dass ein Junge, der ohne Vater aufwächst, eher dazu neigt, kriminell zu werden und im Gefängnis zu landen.«
»Was ist mit Ihrer Behauptung, dass gleichgeschlechtliche Ehen Tür und Tor für die Polygamie öffnen würden? In all den Jahren, seit der Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen in Massachusetts, hat da irgendjemand ein Gesetz ins Parlament eingebracht, um auch die Polygamie zu legalisieren?«
»Ich verfolge die Gesetzgebung in diesem Staat nicht …«
»Dann will ich Ihnen helfen. Die Antwort lautet Nein«, sagt Angela. »Und es hat auch niemand beantragt, einen Stein oder eine Ziege heiraten zu dürfen.« Sie zählt an ihren Fingern ab. »Lassen Sie mich mal zusammenfassen, was ich hier von Ihnen gehört habe, Dr. Newkirk. Eine homosexuelle Elternschaft führt zu allen möglichen katastrophalen Entwicklungen bei einem Kind. Homosexualität ist nicht angeboren, sie ist erlernt. Wenn man homosexuelle Eltern hat, dann neigt man dazu, ebenfalls mit Homosexualität zu experimentieren. Wenn man jedoch mit heterosexuellen Eltern aufwächst, dann wird man auch heterosexuell.«
Die Psychologin nickt. »Das stimmt so ungefähr.«
»Dann können Sie mir vielleicht Folgendes erklären«, sagt Angela Moretti. »Wie kommt es, dass die meisten homosexuellen Menschen heterosexuelle Eltern haben?« Sie dreht sich um und kehrt wieder zu ihrem Platz zurück, während die Psychologin noch nach einer Antwort sucht. »Keine weiteren Fragen mehr.«
Angela Moretti will tatsächlich nicht, dass Pastor Clive den Zeugenstand betritt. »Euer Ehren«, sagt sie, »falls Mr. Lincoln als Leumundszeuge für Max Baxter auftreten will, muss er deshalb doch nicht zum Experten auf diesem Gebiet erklärt werden. Es ist ja nicht so, als wäre das Studium von Max Baxter eine akademische Disziplin.«
»Pastor Clive ist ein religiöser Führer und Gelehrter«, argumentiert Wade. »Er ist durchs ganze Land gereist und hat Gottes Wort gepredigt.«
»Und kennen Sie auch den einzigen Ort, an dem er nicht predigen kann? Vor einem Gericht«, erwidert Angela.
»Ich glaube, ich will hören, was er zu sagen hat«, sagt Richter O’Neill.
»Natürlich wollen Sie das«, murmelt Angela vor sich hin.
Der Richter verzieht das Gesicht. »Wie war das, Frau Anwältin?«
Sie hebt den Blick. »Ich habe gesagt, ich bin Jüdin.«
»Wirklich? Das hätte ich nie gedacht angesichts der Tatsache, dass Ihr Nachname direkt vom Federal Hill zu kommen scheint. Aber danke, dass Sie uns das mitgeteilt haben«, fügt er hinzu. »Das lässt einige Ihrer früheren Einsprüche in einem anderen Licht erscheinen. Herr Anwalt Preston, Sie dürfen Ihren Zeugen aufrufen.«
Als Pastor Clive in Begleitung des Sheriffs den Saal betritt, reagiert die Galerie sofort. Die Mitglieder der Eternal Glory Church rufen Halleluja und Amen, und die Baptisten aus Westboro klatschen Beifall. Pastor Clive dagegen senkt demütig
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