Ein Lied für meine Tochter
den Kopf, während er den Gang hinuntergeht.
Er bittet darum, auf seine eigene Bibel schwören zu dürfen.
»Bitte, nennen Sie uns Ihren Namen fürs Protokoll«, fordert Wade ihn auf.
»Clive Lincoln.«
»Und womit verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt?«
»Ich bin der Pastor der Eternal Glory Evangelical Church of God.«
»Haben Sie eine Familie, Herr Pastor?«
»Ja«, antwortet Pastor Clive. »Ich habe eine wunderbare Frau, und Gott hat es für richtig befunden, uns mit vier wunderbaren Töchtern zu segnen.«
Drei von ihnen kenne ich. Sie sind noch nicht ganz im Teenageralter, sind sonntags immer gleich gekleidet und singen mit ihrem Vater auf der Bühne. Die vierte sitzt beim Gottesdienst immer ganz hinten und sagt nie ein Wort. Gerüchten zufolge hat sie Jesus nicht als ihren Herrn und Erlöser akzeptiert. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie peinlich das für jemanden wie Pastor Clive sein muss.
Aber ich nehme an, wir haben alle unser Kreuz zu tragen.
»Kennen Sie den Kläger in diesem Fall?«
»Ja, das tue ich. Max hat sich vor ungefähr sechs Monaten unserer Gemeinde angeschlossen.«
»Und kennen Sie auch Reid und Liddy Baxter?«, will Wade wissen.
»Reid kenne ich schon seit fünfzehn Jahren. Offen gesagt, ist er ein wahrer Zauberer in Finanzfragen. Seit nunmehr über zehn Jahren regelt er die Finanzen der Gemeinde. Vermutlich sind wir die einzige gemeinnützige Organisation, die während der Rezession Gewinn gemacht hat.« Pastor Clive rollt die Augen nach oben. »Aber andererseits hat vermutlich auch jemand über uns am Aktienmarkt gewacht.«
»Wie lange sind Sie schon Pastor dieser Gemeinde?«
»Seit einundzwanzig glorreichen Jahren.«
»Herr Pastor, was lehrt Ihre Kirche in Bezug auf Homosexualität?«
»Einspruch«, ruft Angela Moretti. »Ich weiß nicht, wie uns eine solche Aussage helfen soll, den Charakter des Klägers besser zu verstehen.«
»Abgelehnt.«
»Wir glauben an Gottes Wort«, sagt Pastor Clive. »Wir nehmen die Bibel wörtlich, und dort finden sich viele Passagen, in denen steht, eine Ehe gebe es nur zwischen Mann und Frau, und das auch nur zum Zwecke der Fortpflanzung – und an vielen anderen Stellen wird die Homosexualität direkt verurteilt.«
»Können Sie uns das näher erklären?«
»Einspruch!« Angela Moretti steht auf. »Die Bibel ist vor Gericht ohne Bedeutung.«
»Ach, ja?«, erwidert Wade und deutet auf die King-James-Bibel auf dem Tisch des Protokollführers, auf die die Zeugen schwören müssen.
Angela Moretti ignoriert ihn. »Euer Ehren, Mr. Lincolns Interpretation der Bibelverse an diesem Ort bedeutet eine direkte Verschmelzung von Religion und Rechtsprechung – und das wiederum verstößt gegen eines der grundlegendsten Prinzipien unseres Rechtssystems.«
»Ich werde die Aussage zulassen«, sagt Richter O’Neill.
Im hinteren Teil des Zuschauerraums erhebt sich ein Mann in einem Regenbogenshirt und ruft: »Ficken Sie sich ins Knie, Euer Ehren!«
O’Neill hebt den Blick. »Antrag abgelehnt«, erwidert er trocken. »Sheriff, bitte entfernen Sie diesen Mann aus meinem Saal.« Dann wendet er sich wieder an Pastor Clive. »Aber beschränken Sie sich auf einen Vers als Beispiel. Miss Moretti hat in einem Punkt recht: Das hier ist eine Gerichtsverhandlung, keine Sonntagsschule.«
Pastor Clive schlägt seine Bibel auf und liest laut vor: » Du sollst nicht bei einem Manne liegen wie bei einer Frau; es ist ein Gräuel. Wenn ein Mann bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Gräuel ist, und sollen beide des Todes sterben; Blutschuld lastet auf ihnen. Ich weiß, das sind eigentlich zwei Verse, aber sie stehen fast auf derselben Seite.«
»Und wie interpretieren Sie und Ihre Gemeinde diese Stellen?«, fragt Wade.
»Ich glaube nicht, dass nur ich und meine Gemeinde so denken«, erwidert Pastor Clive. »Es steht dort klar und deutlich: Homosexualität ist abartig. Eine Sünde.«
»Um Himmels willen«, sagt Angela Moretti. »Einspruch, Euer Ehren … zum hundertsten Mal.«
»Ich werde dieser Aussage den Wert zumessen, der ihr gebührt, Frau Anwältin«, sagt Richter O’Neill.
Wade dreht sich zu Pastor Clive um. »Ich würde Ihre Aufmerksamkeit gerne auf die ungeborenen Kinder lenken, die im Mittelpunkt dieses Prozesses stehen«, sagt er. »Wann haben Sie von ihnen erfahren?«
»Max ist auf der Suche nach Rat zu mir gekommen. Er war sehr aufgeregt, nachdem er mit seiner geschiedenen Frau gesprochen hat. Offensichtlich
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