Ein Lied für meine Tochter
klassische Hausmütterchen sehen wollen, das sich die Fingernägel lackiert und brav für ihren Göttergatten kocht, dann werde ich das für die nächsten acht Stunden sein.
Nur einen Rock werde ich nicht anziehen – niemals!
Ich lehne mich zurück, und bunte Flecken tanzen vor meinen Augen, als ich mein Werk im Spiegel begutachte. (Es ist wirklich schwer, nicht zu schielen, wenn man sich die Augen schminkt.) In diesem Augenblick stolpert Zoe ins Badezimmer. Sie ist noch immer halb im Schlaf. Sie setzt sich auf den geschlossenen Toilettendeckel und blinzelt mich an.
Dann schnappt sie entsetzt nach Luft. »Warum siehst du wie ein Clown aus einem Horrorfilm aus?«
»Was?«, sage ich und reibe mir die Wangen. »Habe ich zu viel Rouge aufgelegt?« Stirnrunzelnd schaue ich in den Spiegel. »Ich hatte eher so einen Pin-up-Stil im Sinn wie in den Fünfzigern. Wie Katy Perry.«
»Na ja, du siehst eher wie Frank-N-Furter aus der Rocky Horror Picture Show aus«, sagt Zoe. Sie steht auf und schiebt mich stattdessen auf den Klodeckel. Dann greift sie zur Reinigungscreme, gibt etwas davon auf einen Wattebausch und säubert mein Gesicht. »Und jetzt erklär mir mal bitte, warum du plötzlich Make-up tragen willst?«
»Ich habe nur versucht, ein wenig … femininer auszusehen«, antworte ich.
»Du meinst, du wolltest nicht wie ein Mannweib aussehen«, korrigiert sie mich und stemmt die Hände in die Hüften. »Du siehst auch ohne Chemie im Gesicht gut aus, Vanessa.«
»Siehst du? Deshalb bin ich auch mit dir verheiratet und nicht mit Wade Preston.«
Zoe beugt sich vor und verteilt ein wenig Rouge auf meiner Wange. »Und da dachte ich, du hättest mich geheiratet, weil …«
»… weil du Wimperntusche hast«, unterbreche ich sie und grinse. »Ich habe dich wegen deines Shu-Uemura-Sets geheiratet.«
»Hör auf damit«, sagt Zoe. »Ich komme mir total billig vor.« Sie hebt mein Kinn an. »Mach die Augen zu.«
Sie schminkt mich, tupft und zupft an mir herum. Ich lasse sie sogar Wimperntusche auftragen, obwohl ich dabei fast erblinde. Schließlich sagt sie mir, ich solle den Mund aufmachen; dann schmiert sie ihn mit Lippenstift ein.
»Tada!«, ruft Zoe schließlich.
Ich rechne fest damit, wie eine Drag Queen auszusehen, doch das Bild, das sich mir im Spiegel bietet, ist etwas vollkommen anderes. »Oh, mein Gott! Du hast mich in meine Mutter verwandelt!«
Zoe schaut mir über die Schulter, sodass wir uns gemeinsam im Spiegel sehen können. »Das passiert den Besten von uns«, sagt sie.
Angela zahlt einem Hausmeister zwanzig Dollar, damit er uns durch die Hintertür ins Gerichtsgebäude lässt. Wie Spione schleichen wir uns an Heizkesseln und Abstellkammern voller Klopapier und Küchentüchern vorbei. Dann führt der Mann uns zu einem alten, verdreckten Lieferaufzug, der uns nach oben bringen wird. Er dreht einen Schlüssel, drückt einen Knopf und schaut mich an. »Ich habe einen Vetter, der auch schwul ist«, sagt dieser Mann, der bis jetzt keine vier Worte zu uns gesagt hat.
Da ich nicht weiß, ob er diesen Vetter mag oder nicht, sage ich lieber nichts darauf.
»Woher wissen Sie, wer wir sind?«, fragt Zoe.
Er zuckt mit den Schultern. »Ich bin der Hausmeister. Ich weiß alles.«
Der Aufzug spuckt uns auf einen Flur unweit der Rechtshilfebüros aus. Angela sucht uns einen Weg durch das Labyrinth von Gängen hindurch, bis wir schließlich vor unserer Saaltür stehen. Mit dem Rücken zu uns ragt eine wahre Wand von Medienvertretern auf, die alle darauf warten, dass wir durch den Haupteingang kommen.
Dabei stehen wir direkt hinter diesen Idioten.
Ich glaube, in diesem Augenblick ist mein Respekt für Angela größer als je zuvor.
»Holen Sie sich noch schnell was zu knabbern in der Cafeteria«, rät sie mir. »Auf diese Weise sind Sie außer Sicht, wenn Preston ins Gericht kommt, und die Reporter werden sich nicht auf Sie stürzen.« Da ich noch immer nicht an der Verhandlung teilnehmen darf – jedenfalls nicht während der ersten paar Minuten der heutigen Sitzung –, ergibt das durchaus Sinn. Ich schaue zu, wie Angela Zoe rasch in den Saal zieht, dann schleiche ich mich ungesehen den Flur hinunter, als die Gegenseite eintrifft.
Ich esse eine Packung Nutter Butters, aber davon wird mir schlecht. Ich kann nicht gut vor Zuschauern reden. Deshalb bin ich auch Schulpsychologin und keine Lehrerin geworden, die ständig vor der Klasse steht. Dass Zoe sich auf einen Stuhl setzen und sich vor Publikum die Seele
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