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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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mir.«
    »Und sie ist eine gute Christin?«
    Ich muss gestehen, dass ich keine Ahnung habe, welcher Konfession Zoe angehört, ob sie überhaupt irgendeiner Konfession angehört. Ich weiß nicht, ob sie im Krankenhaus nach einem Priester gefragt oder das entsprechende Feld auf dem Anmeldeformular angekreuzt hat. Ich bin kurz verwirrt und schaue zu, wie Sandra DuBois sich erhebt und durch den Flur zu Lucy geht.
    Und dann erinnere ich mich an Max. »Ich glaube, Verwandte von ihr gehen in Ihre Kirche«, rufe ich der Frau hinterher.
    Lucys Mutter zögert. Dann, kurz bevor sie um die Ecke geht, schaut sie zu mir zurück und nickt.
    Bei meinem ersten Besuch bei Zoe war sie noch ohne Bewusstsein. Ich spielte Gin Rommé mit Dara, und sie löcherte mich mit Fragen über meine Kindheit, bevor sie aus den Teeblättern in meinem Becher las.
    Bei meinem zweiten Besuch brachte ich eine künstliche Blume mit, die ich aus drei Dutzend Plektrons selbst gebastelt hatte – und das, obwohl ich handwerklich nicht gerade begabt bin. Ehrlich gesagt, ich bekomme schon Brechreiz, wenn ich eine Klebepistole nur sehe.
    Am dritten Tag wartet Zoe an der Tür auf mich. »Entführ mich«, bettelt sie. »Bitte.«
    Ich schaue über die Schulter zur Küche, wo ich Dara mit den Töpfen klappern höre. »Wirklich, Vanessa«, fährt Zoe fort. »Ein Mensch kann schlicht und ergreifend nur ein gewisses Maß an Vorträgen über die heilende Kraft von Kupferarmbändern ertragen.«
    »Sie wird mich umbringen«, murmele ich.
    »Nein«, widerspricht mir Zoe. »Sie wird mich umbringen.«
    »Du sollst doch noch gar nicht laufen und …«
    »Aber eine kleine Spritztour hat der Arzt mir nicht verboten. Ich will doch nur ein wenig frische Luft«, sagt Zoe. »Und du hast doch ein Cabrio …«
    »Wir haben Januar «, erwidere ich.
    Aber ich weiß, dass ich tun werde, worum sie mich bittet. Zoe könnte mich vermutlich davon überzeugen, dass es toll wäre, mitten im Winter in der Arktis Urlaub zu machen. Himmel, vermutlich würde ich ihr sogar das Ticket kaufen.
    Zoe führt mich zu einem schneebedeckten Golfplatz. Um diese Jahreszeit kommen Kinder mit aufgeblasenen Lkw-Reifen hierher, um die Hügel herunterzurutschen. Dabei halten sie sich an Armen und Beinen fest und bilden so riesige, rutschende Moleküle. Zoe lässt die Scheibe herunter, sodass wir ihre Stimmen hören können. Das Dach habe ich nicht aufgemacht.
    Mann, das war geil.
    Du bist fast in den Baum gerast!
    Hast du gesehen, wie hoch der Sprung war?
    Beim nächsten Mal fahre ich als Erster.
    »Erinnerst du dich noch an die Zeit«, frage ich, »als es die größte Tragödie in deinem Leben war, dass es in der Schulmensa Hackbraten zum Mittagessen gab?«
    »Oder wie es sich angefühlt hat, wenn man aufgewacht ist und man schneefrei hatte?«
    »Na ja«, gebe ich zu, »schneefrei habe ich heute auch noch.«
    Zoe schaut zu, wie die Kinder sich wieder den Hang hinunterstürzen. »Als ich im Krankenhaus war, habe ich von einem kleinen Mädchen geträumt. Wir saßen gemeinsam auf einem Schlitten, sie vor mir. Es war ihre erste Rodelpartie. Alles war so real. Ich meine, meine Augen tränten vom Wind, meine Wangen waren wie ausgetrocknet, und dieses kleine Mädchen … Ich konnte das Shampoo in ihren Haaren riechen und spürte ihr Herz schlagen.«
    Das ist also der Grund, warum sie mich hierhergeführt hat und warum sie die Kinder so genau beobachtet, als würde man sie später nach ihnen ausfragen. »Ich nehme an, du hast das Mädchen nicht gekannt, oder?«
    »Nein. Und ich werde es auch nicht mehr kennenlernen.«
    »Zoe …« Ich lege ihr die Hand auf den Arm.
    »Ich wollte immer eine Mutter sein«, sagt sie. »Ich dachte, das läge daran, dass ich meinem Kind Gutenachtgeschichten vorlesen wollte, dass ich es im Schulchor singen hören und das Kleid für den Abschlussball aussuchen wollte … Du weißt schon, all die Dinge, bei denen auch meine Mutter immer glücklich lächelt, wenn sie sich daran erinnert. Aber in Wirklichkeit war Selbstsucht der wahre Grund. Ich wollte einfach jemanden haben, der mein Anker sein würde, wenn er größer wird – weißt du, was ich meine?«, erklärt sie. »Ich wollte jemanden haben, der jeden Tag anruft und fragt, wie es mir geht. Ich wollte jemanden haben, der mitten in der Nacht zur Apotheke fährt, wenn es mir schlecht geht. Jemanden, der mich vermisst, wenn ich weg bin. Jemanden, der mich lieben muss – egal, was auch passiert.«
    Dieser Mensch könnte ich auch

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