Ein Lied für meine Tochter
offensichtlich, dass die Eternal Glory Church ihn mit was anderem abgefüllt haben muss. Irgendetwas ist einfach … falsch an ihm. In jedem Fall habe ich den alten Max mit all seinen Fehlern dem hier vorgezogen. Ich habe den Max vorgezogen, der gemeinsam mit mir gelacht hat, wenn er Liddy mal wieder auf den Arm genommen hat und sie wegen ihres Glaubens noch nicht einmal hat richtig fluchen können.
Um ganz ehrlich zu sein: Ich bin kein religiöser Mensch. Ich spreche anderen nicht ihr Recht ab zu glauben, was sie wollen, aber ich lasse mir ihren Glauben auch nicht aufzwingen. Als Max also zu mir sagt, »Ich habe für dich gebetet, Zoe«, habe ich keine Ahnung, was ich darauf erwidern soll. Ich meine, es ist ja ganz nett, wenn jemand für einen betet, auch wenn man nicht darum gebeten hat.
Aber will ich wirklich, dass Menschen für mich beten, die Gott nur als Maske benutzen, um dahinter ihre Hassbotschaft zu verbreiten? Da stehen hübsche, gesunde Mädchen vor dem Ticketschalter und verteilen Flugblätter, auf denen steht: ICH BIN BLOND GEBOREN WORDEN. IHR HABT EUCH AUSGESUCHT, HOMOSEXUELL ZU SEIN. Ihre adrette Art und ihre Behauptung, ›gute Christen‹ zu sein, sind nur der Zuckerguss auf einem Kuchen voll Arsen. »Warum machst du das hier?«, frage ich Max. »Warum interessiert dich der Film überhaupt?«
»Das kann ich vielleicht beantworten«, mischt ein Mann sich ein. Er hat welliges weißes Haar und ist fast sechs Zoll größer als Max. Ich habe ihn schon einmal in den Nachrichten gesehen. Es ist der Pastor der Kirche. »Wir wären nicht hier, wenn die Homosexuellen uns mit diesem Film nicht ihre eigenen Probleme aufzwingen würden. Wenn wir uns zurücklehnen, wer steht dann für die traditionelle Familie ein? Wenn wir einfach tatenlos zusehen, wer kämpft dann dafür, dass unser großes Land nicht zu einem Ort verkommt, wo Johnny zwei Mamis hat und wo die Ehe nicht mehr das ist, was sie nach Gottes Willen sein soll? Ein Bund zwischen Mann und Frau?« Seine Stimme ist immer lauter geworden. »Meine Brüder und Schwestern, wir sind hier, weil Christen zu einer Minderheit geworden sind! Die Homosexuellen nehmen für sich das Recht in Anspruch, gehört zu werden? Nun, das tun auch wir Christen! «
Die Demonstranten grölen und recken ihre Schilder in den Himmel.
»Max«, sagt der Pastor und wirft ihm einen Schlüsselbund zu, »wir brauchen noch ein paar Flugblätter aus dem Van.«
Max nickt und dreht sich zu mir um. »Es freut mich wirklich, dass es dir gut geht«, sagt er, und zum ersten Mal in diesem Gespräch glaube ich ihm.
»Und ich freue mich, dass es dir gut geht.« Und das meine ich auch so, obwohl er einen Weg eingeschlagen hat, den ich nie beschreiten würde. Aber in gewisser Hinsicht ist das die ultimative Rechtfertigung für mich, der Beweis, dass unsere Beziehung nie hätte gekittet werden können. Max hat sich ganz offensichtlich in eine Richtung entwickelt, in die ich nie hätte gehen können.
»Du willst doch nicht Juli sehen, hoffe ich … oder?«, fragt Max und schenkt mir jenes schiefe Lächeln, in das ich mich einst verliebt habe.
»Nein. Ich will in den Film mit Sandra Bullock.«
»Kluge Wahl«, erwidert Max. Aus einem Impuls heraus beugt er sich vor und küsst mich auf die Wange. Ich atme den Duft seines Shampoos ein und sehe sofort die Flasche in der Dusche vor mir mit ihrem blauen Verschluss und dem Aufkleber, der Baumöl und andere gesundheitsfördernde Mittel als Bestandteile anpreist. »Ich denke jeden Tag an dich …«, sagt Max.
Plötzlich fühle ich mich benommen und ziehe mich einen Schritt zurück. Ist das der Geist der alten Liebe?
»… und ich denke darüber nach, wie viel glücklicher du sein könntest, wenn du den Herrn in dein Herz lassen würdest«, fährt Max fort.
Und sofort hat die Wirklichkeit mich wieder. »Wer bist du?«, murmele ich. »Und was hast du mit meinem Ex gemacht?« Doch Max hat mir bereits wieder den Rücken zugekehrt und geht zum Parkplatz, um den Wunsch des Pastors zu erfüllen.
Die Bar heißt Atlantis, liegt in einem Boutique-Hotel in Providence und ist unglaublich hip. An die Wände werden wabernde Farben projiziert, sodass man das Gefühl hat, unter Wasser zu sein. Die Drinks werden in kobaltblauen Gläsern serviert, und die Sitzecken sind aus falschen Korallen gehauen, während die Sitzkissen an leuchtend bunte Seeanemonen erinnern. Den Mittelpunkt des Raumes bildet ein riesiger Wassertank, in dem tropische Fische mit einer Frau
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