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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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ich getan habe?«, fragt sie mich. »Vielleicht hätte ich wieder heiraten sollen. Nur damit ein Mann im Haus ist …«
    »Ich glaube nicht, dass das einen Unterschied macht«, erwidere ich. »Du warst eine wunderbare Mutter. Deshalb hat Zoe ja auch solche Angst, dass du sie verstoßen könntest.«
    »Sie verstoßen? Das ist doch lächerlich. Sie ist eine Lesbe, kein Republikaner.« Dara atmet tief durch. »Es ist nur … Ich muss mich erst mal daran gewöhnen.«
    »Das solltest du ihr sagen. Sie wird es verstehen.«
    Dara schaut mich an, nickt und kehrt durch die Schwingtür wieder ins Wohnzimmer zurück. Kurz denke ich darüber nach, ihr zu folgen, doch ich will Zoe einen Moment allein mit ihrer Mutter geben. Ich will ihnen Zeit geben, ihre Beziehung neu zu ordnen, wie es mir mit meiner Mutter nie gelungen ist. Sie sollen das schaffen, was nur die Liebe ermöglichen kann, wenn plötzlich alles auf den Kopf gestellt wird.
    Also lausche ich stattdessen. Ich öffne die Tür einen Spalt und höre Dara sagen: »Ich würde dich nicht plötzlich mehr lieben, wenn du mir gerade gesagt hättest, du seist heterosexuell. Und ich werde dich nicht plötzlich weniger lieben, weil du mir gesagt hast, dass du lesbisch bist.«
    Leise schließe ich die Tür wieder. Ich schaue mich in der Küche um und lasse meinen Blick über die Obstschale schweifen, den kobaltblauen Toaster und die Küchenmaschine. Dara hat ihre Wünschelrute liegen gelassen. Ich nehme sie und halte sie locker in der Hand. Obwohl der Wasserhahn und die Rohre nur wenige Zoll von mir entfernt sind, zuckt die Wünschelrute nicht. Und ich stelle mir vor, wie es wohl ist, einen siebten Sinn zu haben, zu wissen, dass das, wonach man sucht, in Reichweite ist, auch wenn man es noch nicht sehen kann.
    Kinos sind ein wunderbarer Ort für Homosexuelle. Sobald das Licht aus ist, kann einen niemand mehr anstarren, wenn man die Hand seiner Freundin hält oder sich an sie kuschelt. Es ist eben einfach so, dass sich die Aufmerksamkeit von Kinogängern nicht auf die Sitzreihen richtet, sondern auf das Schauspiel auf der Leinwand.
    Ich bin niemand, der seine Zuneigung öffentlich zur Schau stellt. Ich habe noch nie jemanden in der Öffentlichkeit geküsst. Mir fehlt diese Hemmungslosigkeit, mit der Teenager in irgendeiner Ecke herumstehen und scheinbar ewig knutschen, mit der sie Arm in Arm über die Straße gehen, wobei sie die Hand lässig in die Hose des anderen stecken. Aber natürlich fände ich es schön, wenn man mich nicht schockiert anstarren würde, wenn ich das auch gerne tun würde. Unglücklicherweise sind wir es jedoch eher gewohnt, Männer mit Waffen zu sehen als Männer, die Händchen halten.
    Als der Abspann beginnt, erheben sich die ersten von ihren Sitzen, und als das Licht angeht, liegt Zoes Kopf auf meiner Schulter. Dann höre ich: »Zoe? Hey!«
    Sie springt auf, als hätte man sie bei etwas erwischt, das nicht richtig ist, und setzt ein breites Lächeln auf. »Wanda!«, sagt sie zu einer Frau, die mir vage vertraut vorkommt. »Hat Ihnen der Film gefallen?«
    »Ich bin kein großer Tarantino-Fan, aber der war gar nicht mal so schlecht«, antwortet Wanda und hakt sich bei einem Mann unter. »Zoe, ich glaube, Sie haben meinen Mann nie kennengelernt. Stan? Zoe ist Musiktherapeutin im Altenheim«, erklärt Wanda.
    Zoe dreht sich zu mir um. »Das ist Vanessa«, sagt sie. »Meine … eine Freundin.«
    Letzte Nacht haben Zoe und ich unseren ersten Monat gefeiert. Wir hatten Champagner und Erdbeeren, und sie hat mich beim Scrabble geschlagen. Wir haben uns geliebt, und als wir am Morgen aufwachten, hatte sie sich wie Efeu um mich geschlungen.
    Eine Freundin.
    »Ja, wir haben uns schon mal gesehen«, sage ich zu Wanda, erwähne aber nicht, dass das auf der Party für das Baby war, das gestorben ist.
    Wir verlassen das Kino mit Wanda und ihrem Mann und reden über den Plot und diskutieren, ob der Film ein Kandidat für den Oscar ist oder nicht. Zoe achtet sorgfältig darauf, nicht näher als einen Fuß an mich heranzukommen. Sie schaut mir auch nicht in die Augen, bis wir wieder im Wagen sind und zu mir fahren.
    Zoe füllt die Stille mit einer Geschichte über Wandas und Stans Tochter, die zur Army gehen wollte, weil ihr Freund schon in Übersee war. Ich glaube, ihr fällt gar nicht auf, dass ich kein Wort sage. Als wir das Haus erreichen, öffne ich die Tür, gehe hinein und ziehe meinen Mantel aus. »Willst du einen Tee?«, fragt Zoe und geht direkt in die Küche.

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