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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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sehen. »Ich wusste ja gar nicht, dass du kommst!«
    Zoe versucht sich an einem Lachen, doch es bleibt ihr im Halse stecken. »Du hast ja keine Ahnung …«
    Dara umarmt auch mich. »Wie geht es dir, Vanessa?«
    »Super«, antworte ich. »Mir ist es nie besser gegangen.«
    Im Hintergrund ist die tiefe, beruhigende Stimme eines Mannes zu hören. Fühle das Wasser. Fühle, wie es unter dir steigt …
    »Oh«, sagt Dara. »Ich schalte das aus. Kommt rein, ihr zwei.« Sie huscht zur Stereoanlage, schaltet den CD-Player aus und steckt die CD in ihre Hülle. »Das sind meine Hausaufgaben. Wünschelrutengehen. Der Kleiderbügel gehört auch dazu.«
    »Du suchst nach Wasser?«
    »Ja«, antwortet Dara. »Und wenn ich welches finde, dann wird der Kleiderbügel in meiner Hand sich wie von selbst bewegen.«
    »Dann will ich dir ein wenig Arbeit abnehmen«, erwidert Zoe. »Ich bin ziemlich sicher, dass das Wasser aus der Leitung kommt.«
    »Oh, du Kleingläubige. Zu deiner Information: Wünschelrutengehen ist äußerst lukrativ. Sagen wir, du willst in ein Stück Land investieren. Willst du dann nicht wissen, was sich unter der Oberfläche verbirgt?«
    »Also ich würde vermutlich einen Brunnenbauer engagieren«, sage ich, »aber das ist ja nur meine Meinung.«
    »Jaja, Vanessa, aber wer wird dem Brunnenbauer sagen, wo er graben soll, hm?« Sie lächelt mich an. »Habt ihr Hunger? Ich habe einen schönen Kuchen im Kühlschrank. Einer meiner Patienten setzt sich gerade damit auseinander, wie es wäre, Konditor zu sein …«
    »Weißt du, Ma, eigentlich bin ich hier, um dir etwas Wichtiges zu sagen.« Zoe atmet tief durch. »Etwas ziemlich Gutes, glaube ich.«
    Dara reißt die Augen auf. »Ich habe letzte Nacht davon geträumt. Lass mich raten … Du gehst wieder zur Schule!«
    »Was? Nein!«, erwidert Zoe. »Wovon redest du da? Ich habe doch schon meinen Master.«
    »Aber du hättest deinen Abschluss auch in klassischem Gesang machen können. Vanessa, hast du sie je singen gehört?«
    »Äh … Ja.«
    »Mom«, unterbricht Zoe sie. »Ich werde nicht wieder aufs College gehen, um mich zur Opernsängerin ausbilden zu lassen. Ich bin als Musiktherapeutin vollkommen zufrieden.«
    Dara schaut sie an. »Dann als Jazzpianistin vielleicht?«
    »Um Himmels willen, ich werde nicht wieder zur Schule oder sonst wo hingehen. Ich bin hier, um dir zu sagen, dass ich lesbisch bin!«
    Die Worte zerteilen den Raum in zwei Hälften.
    »Aber …«, sagt Dara nach einiger Zeit. »Aber du warst doch verheiratet.«
    »Ich weiß. Ich war mit Max zusammen, aber jetzt … jetzt bin ich mit Vanessa zusammen.«
    Als Dara sich zu mir umdreht, wirkt ihr Blick verletzt, als hätte ich sie irgendwie betrogen. »Ich weiß, das kommt unerwartet«, sage ich.
    »Das bist du nicht, Zoe«, erklärt Dara. »Ich kenne dich. Ich weiß, wer du bist …«
    »Das weiß ich auch. Und wenn du glaubst, das bedeutet, dass ich mir jetzt eine Lederkluft überwerfe und auf einer Harley durchs Land brause, dann kennst du mich nicht wirklich. Glaub mir, ich war genauso überrascht wie du. Ich habe ganz sicher nicht damit gerechnet, dass mir so etwas passiert.«
    Dara bricht in Tränen aus und nimmt Zoes Gesicht in die Hände. »Du könntest wieder heiraten.«
    »Ja, das könnte ich, aber ich will nicht, Ma.«
    »Was ist mit Enkelkindern?«
    »Das ist mir ja offenbar noch nicht einmal mit einem Mann gelungen«, erklärt Zoe und greift nach der Hand ihrer Mutter. »Ich habe jemanden gefunden, mit dem ich zusammen sein will. Ich bin glücklich. Kannst du dich nicht für mich freuen?«
    Dara ist kurz wie erstarrt und schaut auf die Hand ihrer Tochter. Dann reißt sie sich von ihr los. »Ich brauche mal eine Minute«, sagt sie, schnappt sich ihre Wünschelrute und verschwindet in der Küche.
    Nachdem sie gegangen ist, dreht Zoe sich zu mir um. Ihr stehen die Tränen in den Augen. »So viel zur Toleranz meiner Mutter.«
    Ich lege den Arm um sie. »Gib ihr Zeit. Du hast dich doch selbst noch nicht an diese Gefühle gewöhnt, und du hattest Wochen dafür. Da kannst du nicht erwarten, dass sie den Schock in fünf Sekunden verdaut.«
    »Glaubst du, sie ist okay?«
    Sehen Sie? Darum liebe ich Zoe. Da hat sie gerade selbst einen wirklich krasses Erlebnis hinter sich, und das Einzige, worum sie sich sorgt, ist ihre Mutter. »Ich werde mal nachsehen«, sage ich und gehe in die Küche.
    Dara lehnt an der Arbeitsplatte, neben ihr liegt die Wünschelrute auf dem Granit. »War es etwas, das

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