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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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erinnere, bevor ich in ihren Armen einschlafe, ist: Das ist auch nicht schlecht.
    Obwohl die Enttäuschung über die Röntgenbrille, die ich für die Bazooka-Comics bekommen habe, groß gewesen ist, habe ich noch für einen weiteren Gegenstand gespart, den ich einfach haben musste. Dabei handelte es sich um eine Halskette mit dem Zahn eines Wals als Glücksbringer. Was mich besonders fasziniert hatte, war die Beschreibung der Kette:
    Bringt dem Besitzer garantiert ein Leben lang Glück.
    Nach dem Desaster mit der Röntgenbrille erwartete ich natürlich nicht mehr, dass es sich bei dem Walzahn auch tatsächlich um einen Zahn handeln würde, vor allem nicht von einem echten Wal. Vermutlich wäre er aus Plastik mit einem eingeschraubten Metallring, um ihn an der Kette zu befestigen. Trotzdem sparte ich wieder mein Taschengeld, um Bazooka-Kaugummis zu kaufen. Ich suchte sogar den Innenraum des Autos meiner Mutter nach verlorenen Münzen ab, und schließlich hatte ich die 1,10 Dollar Versandkosten beisammen.
    Drei Monate später hatte ich dann auch meine fünfundsechzig Bazooka-Comics und schickte sie in einem Umschlag an die angegebene Adresse. Als der Glücksbringer eintraf, war ich überrascht, dass es sich tatsächlich um einen Zahn zu handeln schien (ob er wirklich von einem Wal stammte, wusste ich natürlich nicht), und der Silberring, an dem er hing, war schwer und glänzte. Ich steckte ihn mir vorne in meinen Rucksack und wünschte mir etwas.
    Am nächsten Tag war Valentinstag in der Schule. Jeder von uns hatte kleine Briefkästen aus Schuhkartons gebastelt. Es war die Zeit der Transaktionsanalyse, in der niemand sich ausgeschlossen fühlen sollte. Und um das zu erreichen, hatten die Lehrer einen idiotensicheren Plan: Jedes Mädchen in der Klasse sollte jedem Jungen eine Karte schreiben und umgekehrt. Auf diese Weise würde ich garantiert vierzehn Valentinskarten im Tausch für die vierzehn Tweety- und Sylvester-Karten bekommen, die ich den Jungs in der Klasse geschrieben hatte – selbst Luke hatte eine bekommen, obwohl er ständig in der Nase popelte und die Popel dann auch aß. Am Ende des Schultages trug ich meinen Schuhkarton nach Hause, setzte mich aufs Bett und sortierte die Karten. Zu meiner Überraschung hatte ich eine zu viel. Ja, jeder Junge hatte mir eine Valentinskarte geschrieben, doch die fünfzehnte Karte war von Eileen Connelly. Sie hatte funkelnde blaue Augen und Haar so schwarz wie die Nacht. Im Sportunterricht hatte sie mal die Arme um mich gelegt, um mir zu zeigen, wie man einen Schläger richtig hält. ALLES GUTE ZUM VALENTINSTAG, stand auf der Karte, EILEEN. Es war mir egal, ob noch IN LIEBE drunter stand oder nicht. Es war mir egal, dass sie so eine Karte vermutlich an jedes Mädchen in der Klasse geschickt hatte. In diesem Augenblick zählte nur eines für mich: dass Eileen an mich gedacht hatte, egal wie kurz. Und ich war fest davon überzeugt, dass ich diese Bonuskarte nur meinem neuen Glücksbringer zu verdanken hatte, dem Walzahn.
    Ich bin im Laufe der Jahre schon mehrmals umgezogen, und jedes Mal habe ich meine Sachen gesichtet und die Spreu vom Weizen getrennt. Und jedes Mal habe ich in meinem Nachttisch den Walzahn gefunden, meinen Glücksbringer aus Kindertagen. Ich bringe es einfach nicht über mich, ihn wegzuwerfen.
    Denn offensichtlich funktioniert er immer noch.

Max
    In der hinteren, östlichen Ecke im Garten meines Bruders liegen vier weiße Marmorscheiben. Sie sind zu klein, um als Trittsteine durchzugehen, und ein paar von ihnen sind sogar von Rosenbüschen überwuchert, die, soweit ich sehen kann, noch nie gestutzt worden sind. Es sind Gedenksteine, einer für jedes Baby, das Reid und Liddy verloren haben.
    Heute setze ich den fünften Stein.
    Diesmal war die Schwangerschaft noch nicht sehr weit fortgeschritten gewesen, dennoch war das Haus von Tränen erfüllt. Ich würde Ihnen gerne sagen, ich sei hinausgegangen, damit mein Bruder und seine Frau alleine trauern können, doch die Wahrheit ist, dass das alles viel zu viele Erinnerungen bei mir weckt. Also bin ich ins Gartencenter gefahren und habe einen passenden Marmorstein besorgt. Und ich nehme mir vor, das Areal als Dankeschön für alles, was Reid für mich getan hat, neu zu gestalten. Ich überlege mir, ein Blumenbeet um die Steine anzulegen. Dann könnte ich noch eine kleine Granitbank in die Mitte setzen und die Steine darum herum. Es wäre dann ein Ort, wo Liddy sich in Ruhe hinsetzen und beten könnte. Und ich

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