Ein Lied für meine Tochter
Lebens neben ihm gesessen hast.«
Ich senke den Kopf. Ich bete nicht oft, aber in diesem Moment tue ich es. Ich bete, dass Zoe und ich zusammen reisen werden, wenn es für mich an der Zeit ist zu gehen.
Am Tag, nachdem ich meiner Mutter offenbart hatte, dass ich lesbisch bin, hatte sie den Schock weitgehend überwunden und wollte alles Mögliche wissen. Sie wollte wissen, ob das nur eine Phase sei wie damals, als ich mein Haar unbedingt lila färben und mich piercen lassen wollte. Als ich ihr daraufhin erklärte, ich sei fest davon überzeugt, dass ich mich von Frauen angezogen fühle, ist sie in Tränen ausgebrochen und hat mich gefragt, ob sie als Mutter versagt habe. Sie werde für mich beten, sagte sie. Und jede Nacht, wenn ich ins Bett ging, hat sie ein neues Flugblatt unter meiner Tür hindurchgeschoben. Es müssen unglaublich viele Bäume dafür gestorben sein, dass die katholische Kirche gegen Homosexualität wettern kann.
Dann begann ich mit dem Gegenangriff. Ich nahm mir einen Textmarker und schrieb auf jedes Flugblatt den Namen eines Prominenten mit einem homosexuellen Kind: Cher, Barbra Streisand, Dick Gephardt, Michael Landon. Und die schob ich dann unter Moms Tür hindurch.
Schließlich erreichten wir ein Patt, und ich erklärte mich bereit, mich mit ihrem Priester zu treffen. Der fragte mich, wie ich das der Frau hatte antun können, die mich großgezogen hatte, als stelle meine Sexualität einen persönlichen Angriff auf sie dar. Anschließend fragte er mich, ob ich schon einmal darüber nachgedacht hätte, Nonne zu werden. Er fragte mich nicht ein einziges Mal, ob ich Angst hätte, ob ich einsam sei oder ob ich mir Sorgen um meine Zukunft mache.
Auf dem Weg von der Kirche nach Hause fragte ich meine Mutter, ob sie mich liebt.
»Ich versuche es«, antwortete sie.
Während meiner ersten festen Beziehung zu einer Frau (deren Mutter nach ihrem Coming-out nur mit der Schulter gezuckt und gesagt hatte: Erzähl mir was, was ich noch nicht weiß ) begann ich zu verstehen, warum meine Mutter das genaue Gegenteil davon war. »Du bist tot für sie«, erklärte meine Freundin mir. »Alles, was sie sich von dir gewünscht, alles, was sie sich für dich erträumt hat … All das wird jetzt nie geschehen. Vor ihrem geistigen Auge hat sie dich in einer Vorstadt gesehen mit einem spießigen Ehemann, mit den obligatorischen 2,4 Kindern und einem Hund, und jetzt bist du einfach weggelaufen und fährst dein Leben mit mir gegen die Wand.«
Ich ließ meiner Mutter Zeit zu trauern. Ich drängte ihr nie meine Freundinnen auf. Ich brachte sie nie mit nach Hause, lud sie nie zum Essen ein und schrieb auch nie ihre Namen auf die Weihnachtskarte. Das tat ich nicht, weil ich mich für meine Freundinnen schämte, sondern weil ich meine Mutter liebte, und ich wusste, dass es das war, was sie von mir brauchte. Als meine Mutter krank wurde und ins Krankenhaus kam, da kümmerte ich mich um sie. Und ich bilde mir ein, dass sie vor ihrem Tod, vor dem Morphium, noch erkannt hat, dass mein Lesbischsein weit weniger wichtig war als die Tatsache, dass ich eine gute Tochter war.
Ich erzähle Ihnen das, damit Sie wissen, dass ich ein schwieriges Coming-out hatte, und ich will das genauso wenig noch einmal erleben wie eine Wurzelbehandlung. Doch als Zoe mich anfleht, dabei zu sein, wenn sie Dara von uns erzählt, da willige ich natürlich ein, zumal das der erste Beweis dafür ist, dass Zoe diese Beziehung nicht nur als eine Phase betrachtet.
»Und? Bist du nervös?«, frage ich, als wir vor dem Haus von Zoes Mutter stehen.
»Nein … Nun … Ja … Ein wenig.« Sie schaut mich an. »Es ist ja auch eine große Sache. Das ist es doch, nicht wahr?«
»Deine Mutter ist einer der tolerantesten Menschen, die ich je kennengelernt habe.«
»Aber sie betrachtet sich selbst als so etwas wie eine Expertin, was mich betrifft«, sagt Zoe. »Sie hat mich ja auch praktisch allein erzogen.«
»Meine Mutter war auch alleinerziehend.«
»Das ist etwas anderes, Vanessa. Meine Mutter ruft mich an meinem Geburtstag immer noch um Punkt 10.03 Uhr an und schreit und keucht ins Telefon, um die Erfahrung der Geburt noch einmal nachzuspielen.«
Ich blinzele sie an. »Das ist … seltsam.«
Zoe lächelt. »Ich weiß. Sie ist wirklich ein Unikum. Das ist Segen und Fluch zugleich.« Sie atmet tief durch und klingelt.
Dara öffnet die Tür, sie hält einen verdrehten Kleiderbügel in der Hand. »Zoe!«, ruft sie sichtlich erfreut, ihre Tochter zu
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