Ein Lord entdeckt die Liebe
sich ganz der Gegenwart hin. Ein Feuer brannte ihn ihm, das er nicht löschen wollte. Im Gegenteil, es sollte weiter glühen, auflodern, ihn verschlingen.
Sein Kuss wurde drängender. Wie süß Chloes Mund schmeckte! Und wie verführerisch der kleine Laut war, der sich jetzt ihrer Kehle entrang! Er schien Erstaunen und Zustimmung zugleich auszudrücken. Und dann, ja dann erwiderte sie seinen Kuss. Er fühlte sich wie berauscht.
Wenig später – sie küssten sich noch immer – spürte er, wie sie mit der Fingerspitze ganz zart über seine Wange strich. Kaum jemand hätte darin eine besonders beachtenswerte Liebkosung gesehen. Doch sein Herz machte einen Sprung. Die Hitze, die seinen Körper erfüllte, konzentrierte sich an einer Stelle. Hier, in Signor Pisanos Hinterzimmer, hätte ihm das peinlich sein sollen, aber tatsächlich empfand er pure Lust. Irgendetwas in seinem Inneren kam in Bewegung. Eine seltsame Sehnsucht erwachte.
Eine unerwünschte Sehnsucht! Etwas, das er als unklug, ja gefährlich erkannte. Er wollte sich wehren. Doch er war hilflos gegenüber diesem Gefühl.
Jemand räusperte sich. „Wie Sie sehen, Mr Laxton“, meinte Pisano leise, „gibt es keine Verschwörung gegen Sie. Hier ist – wie ich sagte – nur ein frisch verheiratetes Paar.“
Laxton brummte etwas Unverständliches. Dann verriet ein neuerlicher Luftzug, dass der Vorhang wieder geschlossen wurde. Die beiden Männer hatten den Raum verlassen.
Braedon musste all seine Willenskraft aufwenden, um den Kuss zu beenden.
Hardwick öffnete die Augen, schien jedoch kaum etwas zu sehen. Schließlich blieb ihr Blick an seinen Lippen hängen.
Auch er betrachtete nun ihren Mund, die feuchten, ein wenig geschwollenen Lippen, die um einen weiteren Kuss zu bitten schienen. Ein überaus reizvoller und gleichzeitig Angst einflößender Anblick.
„Gut gemacht“, murmelte sie. Sie schien die Fassung zurückerlangt zu haben. „Laxton musste sich geschlagen geben.“
„Leider nur in einem Punkt“, gab Marland zurück. „Die große Schlacht steht uns noch bevor. Aber wir werden siegen. Es ist nur eine Frage der Zeit.“
„Es ist nur eine Frage der Zeit“, stellte Signor Pisano fest. „Bald wird sich überall herumgesprochen haben, dass Sie in London sind und nach dem Speer suchen.“
Chloe hatte sich ans Fenster gestellt und hörte den beiden Männern nur mit einem Ohr zu. In ihrem Inneren herrschte ein großer Aufruhr. Den hatte Marland mit seinem Kuss hervorgerufen. Es war, als habe er die Büchse der Pandora geöffnet. Es kostete sie große Mühe, zumindest nach außen hin einigermaßen gefasst zu wirken. Sie war entsetzlich verwirrt. Nur eines wusste sie genau: Sie durfte sich diesen gefährlichen Gefühlen nicht hingeben.
„Das stimmt“, meinte der Marquess. „Aber es ist für uns von Vorteil, wenn es sich möglichst spät herumspricht.“
Er wirkte so gelassen, dass Chloe beinahe hysterisch aufgelacht hätte. Der Kuss schien sich überhaupt nicht auf seinen Seelenfrieden ausgewirkt zu haben. Sie hingegen erschauerte beim bloßen Gedanken an die Leidenschaft, die sie alles andere hatte vergessen lassen.
Offenbar bedeutete der Kuss ihm nichts. Er war ein Mittel zum Zweck gewesen. Mehr nicht. Das war schlimm. Schlimmer jedoch war, dass durch Marlands Zärtlichkeit Risse in dem Schutzwall entstanden waren, den sie um ihr Herz errichtet hatte. Sogar ihr neuerworbenes Selbstbewusstsein hatte gelitten. Die Angst, verletzt zu werden, war zurück.
Chloe presste die Lippen fest aufeinander. Es war dumm und überheblich gewesen anzunehmen, sie könne Marlands Verhalten ändern. Zudem war sie blind gewesen gegenüber den Konsequenzen, die ihr eigenes verändertes Auftreten zur Folge hatte. Sie hatte sich vorgenommen, sich selbst besser kennenzulernen und dazu alle sich bietenden Möglichkeiten zu nutzen. Sie hatte sich eingeredet, es sei ungefährlich, wenn eine dieser Möglichkeiten bedeutete, Marland näherzukommen. Dabei hatte sie völlig übersehen, wie große die Wahrscheinlichkeit war, von ihm verletzt zu werden. Sie hatte Angst.
In diesem Moment bemerkte sie, dass Signor Pisano sich näherte und den Marquess drohend anschaute. Hatte sie etwas Wichtiges überhört?
„Sollten Sie es noch einmal wagen, Chloe so zu berühren, dann werden Sie durch eines Ihrer eigenen Schwerter den Tod finden, Mylord“, verkündete der alte Mann.
Chloe war entsetzt. „Ich bitte Sie, Signore!“ Seine Worte hatte sie so schockiert, dass
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