Ein Lord entdeckt die Liebe
straffte in Erwartung einer Belohnung die Schultern und wiederholte die Adresse gehorsam.
„Ich bezahle Sie gut dafür, dass Sie dem … dem Pinkel diese Adresse nennen und ihm sonst nichts verraten.“ Er drückte ihm ein paar Münzen in die Hand. „Und tun Sie nie wieder etwas, das mich verärgern könnte!“
„Schon klar, Sir. Ich mach jederzeit gern wieder Geschäfte mit Ihnen.“ Damit verschwand der junge Mann in der Gasse.
Chloe sah ihm noch einen Moment lang nach und schaute sich dann suchend nach ihrem Tuch um. Es lag nahe der Mauer auf der Erde. Sie bückte sich danach und fragte, ohne sich zu Marland umzudrehen: „Wessen Adresse war das?“
„Die eines Ministers, der kürzlich geheiratet hat.“
„Sie denken wirklich an alles“, murmelte Chloe. „Ein frisch verheiratetes junges Paar, das ein Gemälde für die gemeinsame Wohnung kaufen möchte …“
Fröstelnd wickelte sie sich in den Schal. Die Sonne war hinter den Dächern verschwunden, und die Leidenschaft war verflogen.
„Ich bringe Sie jetzt zu meiner Schwester“, sagte Braedon.
Braedon hatte mehrfach großer Gefahr ins Auge blicken müssen. Eines seiner schlimmsten Erlebnisse war der Überfall auf den englischen Sold-Wagen gewesen, zu dessen Eskorte er in Frankreich gehört hatte. Die Feinde waren deutlich in der Überzahl gewesen. Aber Braedon und seine Leute hatten sie letztendlich doch zurückgeschlagen. Bei einer anderen Gelegenheit – sie hatte wohl dazu geführt, dass er den Namen Marauding Marquess erhielt – war er von dem Ehemann seiner preußischen Geliebten erwischt worden. Der Mann galt als hervorragender Fechter, doch Braedon hatte ihn im Duell besiegt. Später, in Wien, hatte ein russischer Spion und Attentäter versucht, ihn zu ermorden. Vergeblich.
Jede dieser Situationen war schwierig zu meistern gewesen. Und er hatte es nur geschafft, weil er einen kühlen Kopf bewahrt hatte.
Er wünschte, das wäre ihm auch heute gelungen. Wie beschämend, sich eingestehen zu müssen, dass das Vertrauen, das eine junge Frau in einem rosa Kleid ihm entgegenbrachte, ihn beinahe in Panik versetzt hätte.
Wie war es Hardwick nur gelungen, all seine Schutzmauern in so kurzer Zeit zum Bröckeln zu bringen? Ach, schlimmer noch! Ihretwegen hatte er die Grenze überschritten, die zu beachten er sich schon vor vielen Jahren geschworen hatte. Dabei war es ihm doch in Denning Castle monatelang gelungen, all die kleinen Signale, die sie aussandte, zu missachten. Damals hatte er sich erfolgreich gegen ihre Anziehungskraft gewehrt. Und jetzt?
Vorhin auf dem kleinen Platz hatten sie beide diese Grenze überschritten. Und Braedon wusste nicht, wie es weitergehen sollte.
Inzwischen hatten sie Ashton House fast erreicht. Er warf einen kurzen seitlichen Blick auf Hardwicks Gesicht. Sie schien vollkommen gefasst zu sein, so als habe der Kuss und alles andere sie nicht im Geringsten erschüttert.
Plötzlich jedoch riss sie die Augen auf und beschleunigte ihre Schritte. „Lady Ashton“, rief sie, „was ist passiert?“
Jetzt sah auch Marland, dass seine Schwester auf der Treppe zum Haupteingang stand und mehreren Dienstboten, die Möbelstücke und anderes aus dem Haus trugen, Anweisungen gab. „Nein, nein“, sagte sie gerade, „der Wagen muss erst ganz voll sein, ehe die Plane darüber gespannt wird.“
Verwirrt betrachteten Chloe und Braedon den großen Leiterwagen.
Mairi wandte den Kopf, entdeckte die beiden und seufzte erleichtert auf. „Gut, dass Sie da sind, Chloe!“ Sie bemühte sich um einen gelassenen Ton, aber die Sorgenfalten auf ihrer Stirn waren nicht zu übersehen.
„Was, um Himmels willen, ist geschehen?“
„Alles ist feucht. Sie erinnern sich an die Tapete im hinteren Salon, die so komische Falten hatte? Nun, den Grund dafür haben wir heute entdeckt: Das Dach war schon seit längerer Zeit undicht.“
„Wie furchtbar!“
„Allerdings! Die Wand ist voller Schimmel“, Mairi schauderte. „Ich möchte um jeden Preis verhindern, dass auch der Teppich und die Möbel angegriffen werden. Ich habe einige der Dienstboten beauftragt, die Tapete abzureißen. Seitdem stinkt es nach Schimmel!“ Plötzlich traten ihr Tränen in die Augen. „Hier kann ich auf gar keinen Fall einen Ball geben. Bis das Dach repariert und die feuchten Zimmer trocken sind, können wir nicht einmal hier wohnen. Ja, ich habe schon überlegt, ob wir das Fest ganz absagen müssen.“
„Natürlich nicht“, rief Chloe. „All die Mühen, die
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