Ein Lord entdeckt die Liebe
Klosterleben zurück, das sie als junges Mädchen kennengelernt hatte. Es ärgerte sie, wenn Lehrerinnen sich mehr für Kleidung interessierten als für den Unterrichtsstoff, den sie vermitteln sollten. Sie hasste es, wenn jemand mit dem Tanzlehrer flirtete oder sich gar entschloss zu heiraten.“
„Ah, deshalb versuchten Sie, einer Nonne möglichst ähnlich zu werden?“ Fassungslos schüttelte Braedon den Kopf.
Chloe lachte kurz auf. „Damals erschien es mir wie eine gute Idee. Tatsächlich wurde mein Leben danach einfacher.“
„Aber es war doch nur die Schulleiterin, die etwas gegen die angeblich lockeren Sitten hatte. Die anderen Lehrerinnen und auch die Schülerinnen teilten deren Ansichten sicherlich nicht.“
„Das stimmt. Allerdings denke ich, dass mir das letztendlich sogar genutzt hat. Die Lehrerinnen, die sich über mich beklagten, fanden bei der Schulleiterin kein Gehör und suchten sich schließlich eine andere Stelle.“
„Während Sie der Liebling der Schulleiterin wurden?“
„Nein. Das hätte ich auch nicht gewollt. Ich wurde … Wie soll ich es sagen? Nun, ich wurde sozusagen unsichtbar. Man nahm mich als Person nicht mehr wahr, schätzte jedoch den Stoff, den ich im Unterricht vermittelte. Es tat so gut, nicht mehr gehänselt, beschimpft und gequält zu werden! Auf einmal war ich kein Opfer mehr. Das hatte ich meinen schwarzen Kleidern, der strengen Frisur und auch den Knöpfen zu verdanken.“
Braedon nickte. Er verstand jetzt, dass sie ihre Kleidung angelegt hatte wie ein Ritter seine Rüstung: um sich selbst zu schützen. Aber irgendwann hatte sie sich entschieden, sich weiblicher zu kleiden. Sie hatte sich auch eine neue Frisur zugelegt. Er betrachtete sie nachdenklich, bis ihn die Erkenntnis traf wie ein Schlag.
„Verflucht!“, brach es aus ihm heraus. „In Denning haben Sie es noch einmal getan! Sie haben mich beobachtet, um mehr über mich und meine Ziele herauszufinden. Und dann haben Sie Interesse an allem geheuchelt, was mir wichtig war. So sind Sie zu genau der Assistentin geworden, die ich mir immer gewünscht hatte.“
Sie antwortete nicht, erwiderte jedoch offen seinen Blick.
Es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass er recht hatte! Zorn wallte in ihm auf. Wieder ballte er die Hände zu Fäusten.
Eine Zeit lang kämpfte er gegen seinen Ärger an. Hier war nicht der richtige Ort, um die Fassung zu verlieren. Nach einer Weile gelang es ihm, sich ein wenig zu beruhigen. Er atmete ein paar Mal tief ein und sagte: „Das war nicht sehr klug von Ihnen. Ihr verrücktes Benehmen hat dazu geführt, dass Sie sich nun in dieser unbehaglichen Situation befinden. Für mich wiederum hat es den Vorteil gehabt, dass ich ein paar Monate lang die beste Assistentin der Welt an meiner Seite hatte.“
„Sie zürnen mir also nicht?“
„Doch. Außerdem bin ich sehr verärgert über mich selbst und über all jene Menschen, die Ihnen das Leben so schwer gemacht haben. Nun, zumindest Ihr Stiefvater hat Sie wirklich gern gehabt. Er hat oft über Sie gesprochen.“
„Ich hatte ihn auch sehr gern.“
„Meiner Meinung nach haben Sie teilweise voreilige Schlüsse aus Ihren Erfahrungen gezogen“, überlegte Braedon laut. „Ihrer Theorie ist, soweit ich sehen kann, nicht in allen Punkten schlüssig.“
„Ich weiß nicht, was Sie meinen.“
„Ich kann beim besten Willen nicht glauben, dass es jemandem gelingt, vierundzwanzig Stunden am Tag und dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr eine Rolle zu spielen. Als meine Hardwick waren Sie so überzeugend, dass ich dafür nur eine Erklärung weiß: Sie haben Ihre Arbeit geliebt. Was ich sagen will, ist: Ihre wahre Persönlichkeit kam zumindest zum Teil in der Person zum Ausdruck, die in Denning Castle lebte und arbeitete.“
Chloe schwieg.
„Ja, ich weiß schon, warum Sie sich nicht dazu äußern wollen. Sie denken, ich hätte nie mehr gesehen als das, was ich sehen wollte: die Assistentin, die ich nicht verlieren wollte. Sie meinen, Ihre wahre Persönlichkeit hätte ich gar nicht bemerkt oder sie wäre mir gleichgültig gewesen.“
„Wenn ich Ihnen etwas über mich selbst hätte verraten wollen, hätten Sie es nicht beachtet. Das glaube ich allerdings. Ich hätte singen und tanzen können wie eine Operndiva oder eine Ballerina, und Sie hätten nur Ihre Hardwick gesehen.“
Er runzelte die Stirn. „Wie trinke ich meinen Kaffee?“, fragte er dann unvermittelt.
„Mit einem Stück Zucker. Und wie trinke ich meinen?“
„In
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