Ein Lord mit besten Absichten
vernichtet wird?«
»Natürlich, Mylord. Darf ich mir erlauben zu sagen, Mylord, dass ich und das gesamte Personal hoffen, dass Sie dieses Dokument in naher Zukunft noch nicht brauchen?«
»Vielen Dank, Devereaux, ich hoffe, dass es auch auf längere Sicht nicht gebraucht wird.« Er und sein Sekretär beobachteten, wie Tremayne das Dokument bezeugte. Dann blickte Noble zur Uhr, stand auf und streckte sich. »Ich lege mich noch ein paar Stunden schlafen, ehe ich gehen muss.«
»Gute Nacht, Mylord.«
»Gute Nacht.« Noble lief die Treppe hinauf. Er freute sich darauf, die Zeit bis zu seinem Aufbruch damit zu verbringen, so viele Punkte der extra für Gillian angelegten Liste abzuarbeiten, wie es nur menschenmöglich war. Er freute sich sogar darauf, sich bei ihr dafür zu entschuldigen, dass er versucht hatte, Nick ihrer Obhut zu entziehen. Sich zu entschuldigen, fiel ihm nie leicht, aber er hatte einen Fehler gemacht. Mit seiner Drohung, ihr Nick wegzunehmen, hatte er seine Frau zutiefst verletzt.
Er hielt für einen Moment inne, als sich der Gedanke einschlich, er könnte bei Sonnenaufgang sterben und Gillian und Nick zurücklassen. Auch wenn er vollstes Vertrauen in seine Schießkünste hatte, empfand nur ein Narr keine Angst, wenn er sich einer Gefahr stellte.
»Wenn es sein soll, dann soll es eben sein«, murmelte er vor sich hin, als er energischen Schrittes durch den Flur zu seinem Ankleidezimmer ging. Dieser und andere schlimme Gedanken wirbelten ihm durch den Kopf, während Tremayne ihm beim Ablegen seiner Abendgarderobe behilflich war. Gillians Worte vom frühen Abend ließen ihm keine Ruhe.
»Dieses Duell ist einfach lächerlich! Es beruht nicht auf einer Beleidigung deiner oder meiner Person«, hatte sie mit vor Wut hochrotem Kopf gesagt. Noble hätte sich nicht gewundert, wären gleich Flammen aus ihren Augen geschossen. »Es beruht auf deiner und auf Lord Carlisles männlicher Arroganz. Keiner von euch beiden will zugeben, dass es nur ein Missverständnis war und dass gar nichts geschehen ist, was der andere als Beleidigung hätte auffassen können, abgesehen von den Schmähungen, die ihr euch in aller Öffentlichkeit an den Kopf geworfen habt. Ist dein dummer männlicher Stolz es wert, dafür zu sterben, Noble? Ist er das? Bedeuten Nick und ich dir so wenig, dass du dein Leben wegen so einer Lappalie wegwirfst?«
Er hatte seine Handlungen mit dem Standardmotiv der Ehre verteidigt, aber jetzt, da er sich Gedanken darüber machte, wie ihr Leben wohl ohne ihn verlief, wie Nick ohne einen Vater aufwuchs, musste er sich eingestehen, dass sie nicht ganz unrecht hatte.
Es war tatsächlich lächerlich. Und, ja, es ging um Arroganz – seine Arroganz und seinen Stolz, mehr nicht. Weder hatte Gillian ihn mit Lord Carlisle betrogen noch hatte Carlisle sich ihr gegenüber auf irgendeine Weise unangemessen verhalten. Die Schuld an der ganzen Sache lag ganz klar bei ihm.
Darüber dachte er nach, als er sich Wasser auf Gesicht und Brust spritzte. Was hielt ihn denn noch davon ab, Carlisle eine Entschuldigung zu schicken und die Herausforderung zurückzunehmen? So etwas war machbar; und zudem gar nicht so ungewöhnlich. Zwar würde er danach die eine oder andere Stichelei über sich ergehen lassen müssen, aber auch das würde bald aufhören, und die Aussicht auf endlose Nächte in den Armen seiner Frau würden selbst die schlimmsten Hänseleien erträglich machen.
Ah, diese Nächte, dachte er bei sich. Er wollte diese Nächte mit ihr, jede einzelne, er wollte alles von ihr, für immer. Allein sich dies klarzumachen ließ ihn schon wieder leichter atmen. Mit einem aufmunternden Nicken an sich selbst setzte er sich an den kleinen Schreibtisch und verfasste eine Nachricht an Carlisle, in der er ihn um Verzeihung für seine Bemerkungen und Anschuldigungen bat. Dann steckte er sie in einen weiteren Brief an Harry, seinen Sekundanten, mit der Aufforderung, dafür zu sorgen, dass Carlisle ihn sofort erhielt. Er schickte Tremayne los, um einen Lakaien für die Überbringung des Briefes zu wecken; danach eilte er – zufrieden, das Problem auf eine Weise gelöst zu haben, die seiner Frau sehr gefallen würde – in sein Schlafzimmer, um ihr auf andere, greifbarere Art zu gefallen.
Gillian erwartete ihn bereits. Nachdem sie Nick in ihrem Bett verstaut, sich ausgezogen und ihre Augen gebadet hatte, war sie durch die Verbindungstür in sein Zimmer geschlüpft, damit sich der Brandy bereits in Nobles Glas befand, wenn
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