Ein Lotterie-Loos
erst die Heimkehr Oles abzuwarten, um den Tag der Trauung zu bestimmen und die nöthigen Vorbereitungen zu beginnen. Er meinte jedoch, was einmal gethan sei, brauche nicht erst noch gethan zu werden; ferner werde Hulda eine Zerstreuung finden, wenn sie sich mit den tausend Einzelheiten beschäftigte, die ein Vorhaben dieser Art allemal mit sich bringt. Ihm erschien es wichtig, sie von ihren schlimmen Ahnungen, die bis jetzt eben gar nichts bekräftigte, sich nicht allzu sehr einnehmen zu lassen.
Zunächst galt es nun die Wahl einer Brautjungfer, welche jedoch keine Schwierigkeiten bereiten konnte, da sie schon im Voraus getroffen war. Als solche mußte ein liebenswürdiges, junges Mädchen aus Bamble, die vertrauteste Freundin Huldas, fungiren. Ihr Vater, der Pächter Helmboë, bewirthschaftete einen der größten Gaards der ganzen Provinz. Der wackere Mann war auch nicht ohne Vermögen. Schon seit längerer Zeit hatte er den achtenswerthen Charakter Joëls kennen gelernt, und – wir dürfen es wohl aussprechen – seine Tochter schätzte den jungen Mann nicht minder auf ihre Weise. Es lag sonach die Wahrscheinlichkeit nahe, daß Hulda, nachdem Sigrid erst bei ihr als Ehrenjungfrau gedient, dieser in nicht ferner Zeit den Liebesdienst vergelten konnte. Das geschieht nämlich in Norwegen nicht selten, denn in den meisten Fällen bleibt diese angenehme Aufgabe verheirateten Frauen vorbehalten. Es lag also eine gewisse Berechnung zu Gunsten Joëls zu Grunde, wenn Sigrid Helmboë der Hulda Hansen diesen Ehrendienst leistete.
Eine sehr wichtige Frage, sowohl für die Braut, als für die Brautführerin, bildete die Toilette, welche sie für den Trauungstag anlegen würden.
Sigrid, eine reizende Blondine von achtzehn Jahren, wünschte dabei auf jeden Fall den vortheilhaftesten Eindruck zu machen. Durch eine vertrauliche Mittheilung ihrer Freundin Hulda, welche Joël ihr persönlich überbrachte, beschäftigte sie sich, ohne eine Minute zu verlieren, mit dieser Angelegenheit, die allemal etwas Kopfzerbrechen verursacht.
Sie brauchte dazu nämlich ein bestimmtes Leibchen, dessen Stickereien in regelmäßigen Mustern so angeordnet waren, daß sie die Taille Sigrids wie glänzendes Email umschlossen. Ferner gehörte dazu ein Rock, der eine ganze Reihe Unterröcke bedeckte, welche letztere der Zahl nach den Vermögensverhältnissen Sigrids entsprachen, ohne daß sie dadurch an der Gefälligkeit ihrer persönlichen Erscheinung Einbuße erleiden durfte. Was den Schmuck betrifft, war es auch ein wichtig Ding, die Mittelplatte der Halskette aus Silberfiligran und Perlen zu wählen, die Brosche für das Leibchen aus vergoldetem Silber oder aus Kupfer, die Ohrgehänge in Herzform mit freibeweglichen Scheibchen; die Doppelknöpfe, welche dazu dienen, den Hals des Hemdes gleich Agraffen zu schließen, den Gürtel aus rother Wolle oder Seide, von denen vier Reihen Kettchen herabhängen, die Ringe mit kleinen Eicheln, welche mit harmonischem Klang aneinander schlagen, die Armspangen aus durchbrochenem Silber – mit einem Worte, jenen ganzen ländlichen Schmuck, bei dem freilich das Gold nur in ganz dünnen Blättchen vorkommt, das Silber durch Verzinnung ersetzt, das Geschmeide nur dünn gepreßt ist, und wo die Perlen aus geblasenem Glase und die Diamanten aus billigem Krystall bestehen. Nichtsdestoweniger mußte das Auge durch den Gesammteindruck befriedigt werden. Wenn es nothwendig wurde, besann sich Sigrid dazu gewiß keinen Augenblick, die reichen Magazine des Herrn Benett in Christiania zu besuchen, um dort ihre Einkäufe zu machen. Ihr Vater erhob dagegen sicherlich keinen Einspruch; im Gegentheil, der vortreffliche Mann ließ seine Tochter gerne gewähren. Andererseits war Sigrid vernünftig genug, die väterliche Börse nicht übermäßig in Anspruch zu nehmen. Die Hauptsache bei Allem war ihr ja nur, an dem betreffenden großen Tage Joël in bestem Lichte zu erscheinen. Für Hulda war dieselbe Frage eine nicht minder ernste. Die Mode ist einmal eine unerbittliche Tyrannin und bereitet den Bräuten bezüglich der Wahl ihrer Toilette manche heimliche Qual.
Hulda mußte nun die langen, bändergeschmückten Flechten, die sonst unter ihrem Mützchen herabfielen, anders ordnen und mußte den breiten, mit Schloß versehenen Gürtel ablegen, der gleichzeitig die Schürze über dem scharlachfarbenen Rock festhält. Sie sollte später nicht mehr das dreieckige Verlobungstuch tragen, das Ole ihr vor seiner Abreise geschenkt, noch
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