Ein Lotterie-Loos
die Schnur, an der die kleinen gestickten Ledersäckchen hingen, in denen ein silberner Löffel mit kurzem Handgriff, ein Messer, eine Gabel und ein Nadeletui aufbewahrt werden, da das Gegenstände sind, welche eine Frau in ihrem Hause jede Minute braucht.
Sigrid Helmboë. (S. 38.)
Nein; gleich nach dem Hochzeitstage sollte Huldas Haar frei auf ihre Schultern herabfallen, und dieses war so reichlich, daß sie gewiß nicht nöthig hatte, falsche Haare aus Leinenfasern dazwischen zu mengen, wie das die von der Natur weniger begünstigten jungen Norwegerinnen so häufig thun. Was die eigentliche Kleidung und den Schmuck betraf, so brauchte Hulda freilich nur aus der Truhe ihrer Mutter zuzulangen. Gewisse Einzelheiten der Brauttoilette werden nämlich in ein und derselben Familie von Generation zu Generation weiter vererbt. So sieht man z. B. stets wieder das goldgestickte Leibchen, den
»Ist das das Gasthaus der Frau Hansen?« (S. 43.)
Sammetgürtel, den Rock aus einfarbiger oder bunter Seide, die »Wadmel«-Strümpfe, die goldene Halskette und die Brautkrone – jene berühmte skandinavische Krone, die in der besten Truhe sorgsam aufbewahrt wird, eine prächtige, vergoldete Papparbeit von ziemlicher Höhe, welche dicht mit Sternen besetzt und mit Blätterschmuck verziert ist, und die den Myrthenkranz oder ein anderes dementsprechendes Symbol in anderen Ländern Europas ersetzt. Sicherlich mußte dieser strahlende Heiligenschein mit seinen zarten Filigranarbeiten, dem tönenden Gehänge und den farbigen Glasperlen daran das hübsche Gesicht Huldas in vortheilhaftester Weise einrahmen. Die »gekrönte Braut«, wie man dort zu Lande sagte, mußte dem jungen Gatten Ehre machen. Aber auch er sollte ihrer würdig erscheinen im glitzernden Hochzeitsstaate – in der kurzen Jacke mit dicht an einander stehenden Silberknöpfen, dem wohlgestärkten, gerade emporstehenden Hemdkragen, dem mit Seidenstickerei geränderten Brustlatz, den engen, an den Knien durch wollige Ballen gehaltenen Beinkleidern, den weichen Kniestrümpfen, gelblichen Stiefeln, und am Gürtel, in der Lederscheide steckend, mit dem skandinavischen Messer, dem »Dolknif«, mit dem der echte Norweger stets ausgerüstet ist.
Unter derartigen Beschäftigungen verstrichen die letzten Wochen des April und die ersten des Mai. Die Besorgung der Einladungen hatte sich Joël angelegen sein lassen, da ihm sein Geschäft als Führer in dieser Jahreszeit noch einige freie Zeit ließ. Vorzüglich in Bamble schien er sehr viele Freunde und Bekannte zu haben, denn dahin begab er sich besonders häufig; und wenn er nicht selbst nach Bergen gegangen war, um die Herren Gebrüder Help einzuladen, so hatte er diesen wenigstens geschrieben. Wie er vorausgesetzt, hatten die beiden Herren umgehend und freudig zugesagt, der Hochzeit Ole Kamp’s, des jungen Steuermannes vom »Viken«, beizuwohnen.
Inzwischen war der 15. Mai herangekommen. Von Tag zu Tag konnte man also erwarten, Ole aus dem Schußkarren steigen, die Thür öffnen zu sehen und ihn rufen zu hören.
»Ich bin’s!… Da bin ich!«
Es galt also, sich nur noch ein wenig zu gedulden. Uebrigens war Alles bereit. Sigrid bedurfte nur eines Winks, um in vollem Festschmuck zu erscheinen.
Der 16. und 17. verliefen ohne Aenderung der Sachlage, und das Postschiff von Neufundland hatte auch keinen weiteren Brief gebracht.
»Darüber brauchst Du Dich nicht zu wundern, Schwesterchen, wiederholte Joël häufiger. Ein Segelschiff kann zu leicht Verzögerungen erleiden. Die Fahrt von Saint Pierre Miquelon bis Bergen ist immerhin ziemlich lang. Ach, daß der »Viken« kein Dampfer ist und ich nicht an seiner Maschine stehe! Ich wollte ihn schon mit Gewalt gegen Wind und Wellen laufen lassen, und wenn mir, im Hafen angekommen, auch der Kessel platzte!«
Er führte solche Reden gern, weil er Huldas Unruhe von Tag zu Tag wachsen sah.
Gerade jetzt herrschte übrigens recht schlechtes Wetter in Telemarken. Rauhe Winde jagten über die hohen Fjelds, und diese von Westen wehenden Winde kamen von Amerika her.
»Sie müßten doch eigentlich die Fahrt des »Viken« beschleunigen, sagte das junge Mädchen wiederholt.
– Ohne Zweifel, antwortete Joël, doch wenn sie gar zu heftig sind, können sie ihn auch belästigen und zwingen, sich dem Sturme gerade entgegen zu halten. Auf dem Meere thut man nicht immer, was man eben möchte.
– Du bist also nicht unruhig, Joël?
– Nein, Hulda, gewiß nicht! Solche
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