Ein Lotterie-Loos
glücklicher Weise aber eine gute Lagerstatt und sorgsame Pflege im Hause der Frau Hansen gefunden?
– Wer könnte sich’s besser erdenken?
– Gewiß, es gibt keine behaglichere Stelle.
– Und etwa wo bravere Menschen?
– Nein, die gibt’s auch nicht!« erklärten freudig die Touristen.
Dann tranken wohl Alle auf die Gesundheit Huldas und Joëls, welche Beide in ganz Telemarken rühmlich bekannt waren.
Darauf berichtete der Professor sein Abenteuer und gestand seine Unbesonnenheit freimüthig ein, erzählte auch getreulich, wie er gerettet worden sei und wie viel Dankbarkeit er seinen Rettern schulde.
»Und wenn ich hier bleibe, bis meine Schuld abgetragen ist, setzte er lächelnd hinzu, dann, meine Herren, bleibt mein Staatsrechts-Colleg noch lange geschlossen und Sie können Ferien ohne Ende machen.
– Ah, Herr Professor, rief dann die lustige Gesellschaft; gewiß ist daran die reizende Hulda schuld, die Sie hier in Dal zurückhält.
– Ein liebenswürdiges Kind, meine Freunde, und bezaubernd obendrein, und ich – beim heiligen Olaf – ich bin auch erst sechzig Jahre alt!
– Auf das Wohlsein des Herrn Professor Hog!
– Und auf das Eure, junge Leute! Immer durchstreift das Vaterland, unterrichtet und belustigt Euch! In Eurem Alter ist es immer und überall schön! Aber hütet Euch vor dem Wege über den Maristien! Joël und Hulda könnten vielleicht nicht gleich zur Stelle sein, um die Unbesonnenen zu retten, die sich dahin gewagt hätten.«
Dann zog die muntere Schaar ab und noch lange hallte ihr »
God aften
« aus dem Thal zurück.
Dann und wann einmal mußte sich Joël aus dem Hause entfernen, um Lustreisenden, welche den Gusta besteigen wollten, als Führer zu dienen, und Sylvius Hog hätte ihn wohl gern dabei begleitet. Er behauptete zwar, so gut wie geheilt zu sein, da die Schrunde an seinem Beine sich vernarbt hatte, Hulda widerrieth ihm aber gar zu ernstlich, sich einer für ihn jetzt noch viel zu großen Anstrengung auszusetzen, und wenn Hulda das sagte, mußte er schon gehorchen.
Es ist übrigens ein merkwürdiger Berg, dieser Gusta, dessen von schneeerfüllten Schluchten gestreifter Mittelkegel aus dichtem Tannenforst aufragt, wie aus einem grünen Kragen, der ihn unten vollständig umhüllt. Dazu bietet sein Gipfel einen wunderbar schönen, ausgedehnten Gesichtskreis, der im Osten den Bezirk von Numedal, im Westen ganz Hardanger mit seinen Gletschern umfaßt, während man dicht an seinem Fuße das vielfach gewundene Vestfjorddal zwischen dem Mjös-und Tinn-See, Dal mit seinen niedlichen Häusern, die wie einem Kinderspielzeugkasten entnommen aussehen, und den Lauf des Maan überblickt, welcher als spiegelndes Band da und dort aus dem Grün der ebenen Strecken hervorleuchtet.
Um eine solche Bergfahrt auszuführen, brach Joël schon Morgens fünf Uhr auf und traf gewöhnlich Abends um sechs Uhr wieder zu Hause ein. Sylvius Hog und Hulda gingen ihm dann entgegen und erwarteten ihn neben der Fährmannshütte. Hatte das urwüchsige Fahrzeug die Lustreisenden und deren Führer an’s Ufer gesetzt, so wechselten die Drei einen herzlichen Händedruck und verbrachten zusammen wieder einen höchst angenehmen Abend. Der Professor schleppte zwar noch immer etwas den Fuß, doch er beklagte sich nicht und schien überhaupt nicht zu viel Eile zu haben, sich vollkommen wieder hergestellt zu sehen, da das ja fast gleichbedeutend mit dem Verlassen des gastlichen Hauses der Frau Hansen war.
Die Zeit verflog ihm übrigens auffallend schnell. Er hatte nach Christiania gemeldet, daß er sich noch einige Zeit in Dal aufzuhalten denke. Das Gerücht von seinem Abenteuer am Rjukansos war durch das ganze Land gegangen; die Blätter hatten es weiter erzählt und einzelne derselben es noch in ihrer eigenen Weise ausgeschmückt. Infoge dessen strömte – abgesehen von den Broschüren und Tagesblättern – eine ganze Menge Briefe nach dem Gasthause zusammen. Er mußte alle lesen, mußte auf die meisten antworten.
Sylvius Hog las, antwortete, und da er in seine Briefe gar so häufig die Namen Joëls und Huldas einfließen ließ, wurden auch diese bald in zweiter Linie in ganz Norwegen bekannt.
Der Aufenthalt bei Frau Hansen konnte sich indeß nicht bis in’s Unendliche verlängern. Doch Sylvius Hog war sich auch nach langem Zeitraume ebenso wenig wie bei seiner Ankunft darüber klar, wie es ihm möglich sein würde, seine Schuld abzutragen. Inzwischen fing er dagegen an zu muthmaßen, daß diese
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