Ein Lotterie-Loos
konnte er thun, um die Dienstleistungen, die Pflege, die Hulda und Joël ihm gewidmet, zu vergelten? Vorläufig gewann er jedoch keine Zeit, sich längeren Betrachtungen hinzugeben, denn zehn Minuten später saß er schon auf dem Ehrenplatz am großen Tische. Das Essen war vortrefflich. Es rechtfertigte nach allen Seiten den guten Ruf des Gasthauses, und der Professor aß mit dem größten Appetit.
Der Abend verging nachher unter gemüthlichem Plaudern, an dem Sylvius Hog sehr regen Antheil nahm. An Stelle der Frau Hansen, welche sich nur sehr selten mit einmischte, veranlaßte er den Bruder und die Schwester zum Sprechen.
Die warme Theilnahme, welche er für sie empfand, konnte dabei nur noch zunehmen. Die beiden Geschwister vereinigte eine so zärtliche Freundschaft, daß der Professor davon wirklich gerührt wurde.
Als die Nacht herankam, begab er sich mit Hilfe Huldas und Joëls wieder nach seinem Zimmer, sagte den neuen Freunden, ebenso wie diese ihm, herzlich gute Nacht, und kaum hatte er sich in dem sauberen Bett mit den Sinnsprüchen ausgestreckt, da lag er auch schon in sanftem Schlummer.
Als Sylvius Hog am folgenden Morgen mit Tagesanbruch aufwachte, überließ er sich wieder seinem Nachdenken, ehe Jemand an der Thür klopfte.
»Nein, sagte er, ich weiß wahrlich nicht, wie ich mich abfinden soll. Man kann sich doch nicht retten, pflegen und heilen lassen, um das Alles mit einem »Schön Dank!« auszugleichen. Ich bin Hulda und Joël tief verpflichtet, das ist unbestreitbar, und doch sind das keine Dienste, die man mit Geld belohnen könnte! Pfui doch!… Andererseits scheint mir die ganze, aus so wackeren Leuten bestehende Familie so glücklich zu leben, daß ich zu ihrem Glück nichts hinzuzufügen vermöchte. Nun, wir werden ja mit einander plaudern, und vielleicht führt mich das eher auf die rechte Fährte….«
Während der drei Tage, welche der Professor noch das verletzte Bein ruhig auf dem Schemel ausgestreckt halten mußte, plauderten denn auch alle Drei häufiger von Dem und Jenem; leider schienen sich beide Geschwister eine merkwürdige Zurückhaltung aufzuerlegen. Weder der Eine noch die Andere wollten sie etwas über ihre Mutter aussagen, deren kühlere und sorgenvolle Haltung Sylvius Hog recht wohl bemerkt hatte. Aus unerklärlichem Feingefühl hüteten sie sich sogar, ihm von der Angst, die sie wegen der verzögerten Rückkehr Ole Kamp’s empfanden, etwas mitzutheilen, da sie Gefahr zu laufen fürchteten, ihrem Gaste durch Erzählungen von ihren Besorgnissen die gute Laune zu verderben.
»Indeß, äußerte Joël einmal zu seiner Schwester, thun wir doch vielleicht Unrecht daran, uns Herrn Sylvius nicht zu vertrauen. Er ist ein Mann, der uns wohl guten Rath ertheilen könnte, und bei seiner ausgebreiteten Bekanntschaft könnten wir durch ihn wahrscheinlich auch erfahren, ob man sich im Seeamte damit beschäftigt, klar zu stellen, was aus dem »Viken« geworden ist.
– Du hast Recht, meinte Hulda, ich denke auch, wir thun besser, ihm Alles zu sagen, nur wollen wir damit warten, bis er vollkommen wieder hergestellt ist.
– O, das kann ja nicht lange dauern!« erwiderte Joël.
Mit dem Ende der Woche brauchte Sylvius Hog schon keine Hilfe mehr beim Verlassen seines Zimmers, obwohl er noch ein wenig hinkte. Jetzt setzte er sich gern vor dem Hause auf eine im Schatten der Bäume stehende Bank. Von da aus konnte er den Gipfel des Gusta sehen, der im hellen Sonnenschein glänzte, während der Maan, der oft Holzstämme mit sich herabführt, zu seinen Füßen rauschte.
Hier sah man auch zuweilen Leute vorüberkommen, die von Dal nach dem Rjukansos gingen. Meist waren es Lustreisende, welche eine oder zwei Stunden im Gasthause der Frau Hansen Rast machten, um zu frühstücken oder zu Mittag zu essen. Daneben trafen auch, Tornister auf dem Rücken und die kleine norwegische Kokarde an der Mütze, einige Studenten von Christiania hier ein.
Diese kannten natürlich den Professor, und so hörte man immer und immer wieder ein fröhliches »Guten Tag« und herzliche Grüße, welche bewiesen, wie beliebt Sylvius Hog auch bei der ganzen akademischen Jugend war.
»O, Sie sind hier, Herr Sylvius?
– Ja, liebe Freunde.
– Sie, den man tief drin in Hardanger wähnt?
– Das ist eine Täuschung. Eigentlich müßte ich im Grunde das Rjukansos liegen.
– O, gar das; nun, wir wollen überall melden, daß Sie sich in Dal befinden.
– Ja, in Dal… Und mit einem Bein in der Binde.
– Sie haben
Weitere Kostenlose Bücher