Ein Lotterie-Loos
glaubte, als sie den von Allen geschätzten Gast empfing, ihm sagen zu müssen, wie sehr sie sich geehrt fühle, ihn einige Tage unter ihrem Dache beherbergen zu dürfen.
»Ich weiß zwar nicht, ob das für Sie, Frau Hansen, eine besondere Ehre ist, antwortete darauf Sylvius Hog, aber das weiß ich, daß es mir ein großes Vergnügen gewährt. O, ich habe meine Zuhörer schon seit längerer Zeit von diesem gastlichen Hause in Dal reden hören, und schon aus diesem Grunde hatte ich beschlossen, hier vielleicht eine Woche lang zu verweilen; und doch, der heilige Olaf möge mir seinen Schutz entziehen, hatte ich nimmermehr gedacht, hier – nur auf einem Fuße anzukommen.«
Der vortreffliche Mann drückte dabei herzlich und freundschaftlich die Hand seiner Wirthin.
»Herr Sylvius, begann da Hulda, wünschen Sie vielleicht, daß mein Bruder von Bamble einen Arzt herbeiholt?
– Einen Arzt, meine kleine Hulda? Aber wollt Ihr denn, daß ich gar den Gebrauch meiner beiden Beine einbüße?
– O, Herr Sylvius!…
– Einen Arzt! Und warum nicht gleich meinen Freund, den Doctor Boek von Christiania? Und Alles das wegen einer einfachen Schrunde?
– Doch auch eine solche, erwiderte Joël, kann, wenn sie nicht richtig behandelt wird, recht ernste Folgen nach sich ziehen.
– Wirklich, Joël? Würden Sie mir nicht gefälligst sagen, warum Sie wollen, daß dieselbe so ernsthaft würde?
– Ich will es gewiß nicht, Herr Sylvius! Nein, behüte mich Gott davor!
– Nun, er wird Sie behüten, und auch mich, sowie das ganze Haus der Frau Hansen, vorzüglich, wenn die liebenswürdige Hulda es übernimmt, mir ihre Pflege angedeihen zu lassen.
– Ganz gewiß, Herr Sylvius!
– Sehr schön, liebe Freunde. Binnen vier bis fünf Tagen wird von der Sache nichts mehr zu sehen sein. Warum sollte man übrigens in einem so reizenden Zimmer nicht schnell wieder gesund werden? Wo könnte man eine bessere Behandlung finden, als in dem vortrefflichen Gasthause zu Dal? Und dann dieses gute Bett mit seinen Sinnsprüchen, die gewiß mehr werth sind, als die entsetzlichen Formeln der Facultät. Das hübsche Fenster hier, das den Ausblick nach dem Thale des Maan gewährt, das Murmeln des Wassers, das bis nach meinem Schlafraum hereindringt, der Duft der alten Bäume, die rings um das Haus einen grünen Rahmen bilden, die gute Luft, die würzige Bergluft – ist das nicht Alles die beste Arznei, die man nur finden kann? Bedarf man derselben, so braucht man nur das Fenster zu öffnen, da kommt sie von selbst, stärkt und erquickt den Schwachen und – setzt ihn nicht einmal auf strenge Diät!«
Er sagte das Alles so heiter, dieser Sylvius Hog, daß mit ihm wirklich etwas wie ein Hauch von Glück in das Haus einzuziehen schien. Diesen Eindruck hatten davon wenigstens der Bruder und die Schwester, welche, sich an der Hand haltend, ihm zuhörten und Beide dieselbe Regung empfanden.
Der Professor war zuerst nach dem Zimmer im Erdgeschoß geführt worden. Jetzt saß und lag er halb in einem großen Armstuhle und hatte das Bein auf ein Bänkchen ausgestreckt, während Hulda und Joël sich seiner Pflege widmeten. Außer einem Umschlag von frischem Wasser wollte er kein anderes Heilmittel, und in der That brauchte er ja auch kein weiteres.
»Gut, liebe Freunde, ganz gut! sagte er. Man darf mit den Droguen keinen Mißbrauch treiben. Ah, Ihr wißt es schon, ohne Eure Zuvorkommenheit hätte ich bald etwas zu viel von den Wundern des Rjukansos kennen gelernt – ich wäre wie ein Felsstück einfach in den Schlund hinabgerollt. Dann wäre eine neue Fabel zu der längstbekannten Fabel des Maristien hinzugekommen, und ich hätte dafür nicht einmal eine Entschuldigung gehabt! Mich erwartete ja keine Braut am anderen Rande, wie jenen unglücklichen Eystein!
– Und welcher Schmerz wäre das für Frau Hog gewesen, sagte Hulda. Sie würde sich nimmer haben trösten können…
– Frau Hog?… erwiderte der Professor. O, Frau Hog hätte gewiß nicht eine einzige Thräne vergossen.
– Aber, Herr Sylvius!
– Nein, sag’ ich Euch, einfach aus dem Grunde, weil es gar keine Frau Hog giebt. Ich könnte mir auch kaum vorstellen, wie eine Frau Hog hätte aussehen sollen – ob fett oder mager, klein oder groß.
– Als Ihre Gattin hätte sie sicherlich liebenswürdig, geistvoll und gut sein müssen, meinte Hulda.
– Ei wirklich, mein Schatz? Gut, gut, ich will Ihnen glauben! Ja, ich glaube Ihnen!
– Doch wenn Ihre Eltern, Ihre Freunde von einem solchen
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