Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Lotterie-Loos

Ein Lotterie-Loos

Titel: Ein Lotterie-Loos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
dieselbe in das Haus gezaubert. Sie selbst glaubte, obwohl sie Vollblut-Norwegerin war, nicht im mindesten an den übernatürlichen Werth jenes Looses. Und sichere fünftausend Mark hinzuopfern für ein Milliontel Wahrscheinlichkeit, hunderttausend zu gewinnen, das konnte ihr kühler, nüchterner Kopf einmal nicht fassen.
    Es liegt ja auf der Hand, daß das Gewisse für das Ungewisse hinzugeben – von jedem Aberglauben einmal abgesehen – unter so völlig unsicheren Verhältnissen nicht eben ein Act der Klugheit zu nennen war. Doch, wir betonen das nochmals, dieses Loos war ja für Hulda kein Lotterie-Loos, sondern vielmehr der letzte Brief Ole Kamp’s, und ihr wäre das Herz gebrochen bei dem Gedanken, sich davon trennen zu sollen.
    Frau Hansen mißbilligte indeß immer unzweideutiger das Verhalten ihrer Tochter; man fühlte es heraus, daß sich ihrer eine dumpfe Erregung bemächtigte. Von einem Tage zum anderen war zu fürchten, daß sie Hulda ernstlich bedrängen würde, einen endgiltigen Entschluß zu fassen, wie sie selbst
    denselben wünschte. Schon hatte sie sich in diesem Sinne gegen Joël geäußert, der freilich ohne Bedenken für die Anschauung seiner Schwester Partei ergriff.
    Natürlich wurde Sylvius Hog über Alles, was hier unter der Oberfläche vorging, auf dem Laufenden erhalten. Das war noch ein weiterer Schmerz zu dem, der Hulda jetzt schon quälte, und er bedauerte das aufrichtig.
     

    Der Fischmarkt in Bergen. (S. 117.)
     
    Joël sprach ihm zuweilen davon.
    »Hat meine Schwester nicht völlig Recht mit ihrer Weigerung, und thue ich etwa nicht gut daran, sie in ihrem Widerstande zu unterstützen?
    – Ohne Zweifel! antwortete Sylvius Hog. Vom mathematischen Gesichtspunkte aus hat Ihre Mutter freilich einmillionmal mehr Recht. In der Welt ist aber nicht Alles mathematisch zu betrachten, und das Rechnen hat mit Herzensangelegenheiten nichts zu thun.«
    Während der letzten beiden Wochen bedurfte Hulda wirklich der Ueberwachung. Von ihrem Schmerze überwältigt, ließ sie ernstlich für ihre Gesundheit fürchten. Glücklicherweise fehlte es ihr nicht an sorgfältiger Pflege. Auf einen Ruf Sylvius Hog’s kam der berühmte Doctor Boek, sein langjähriger Freund, nach Dal, um sich die junge Leidende anzusehen. Er konnte ihr freilich nur Vermeidung jeder körperlichen Anstrengung und, wenn möglich, Ruhe des Gemüths anempfehlen. Das richtige Mittel, sie genesen zu lassen, blieb immer das eine, die Rückkehr Oles, und dieses Mittel konnte ja nur Gott allein in Anwendung bringen. Jedenfalls ließ es Sylvius Hog dem jungen Mädchen an tröstlichem Zuspruch nicht fehlen und hörte nicht auf, ihr von seiner Hoffnung einen Theil einzuflößen. So wenig begründet ihm diese auch selbst erschien, so konnte und wollte Sylvius Hog doch noch lange nicht verzweifeln.
    Dreizehn Tage waren seit dem Eintreffen des vom Seeamte in Christiania nach Dal gesendeten Looses verflossen. Jetzt schrieb man den 30. Juni. Noch vierzehn Tage und die Ziehung der Lotterie der Schulen sollte mit großer Feierlichkeit in einem der geräumigsten Gebäude Christianias vor sich gehen.
    Gerade an diesem 30. Juni erhielt Sylvius Hog des Morgens als Antwort auf seine wiederholten Eingaben ein neues Schreiben vom obersten Seeamte. Dasselbe bevollmächtigte ihn, sich unmittelbar mit den Seebehörden von Bergen ins Einvernehmen zu setzen, und überließ es seinem Ermessen, mit Unterstützung des Staates sofort Nachforschungen bezüglich des »Viken« anstellen zu lassen.
    Der Professor wollte von dem, was er darauf zu unternehmen gedachte, Hulda und Joël noch nichts sagen. Er begnügte sich, ihnen seine Abreise zu melden, für welche er geschäftliche Angelegenheiten als Grund angab, die ihn wohl einige Tage in Anspruch nehmen könnten.
    »Ach, ich bitte Sie herzlich, bester Herr Sylvius, verlassen Sie uns nicht! flehte ihn das arme Mädchen an.
    – Euch verlassen… Euch, die Ihr meine Kinder geworden seid?«… antwortete Sylvius Hog.
    Joël erbot sich, ihn zu begleiten. Da er aber die Vermuthung nicht aufkommen lassen wollte, daß er sich nach Bergen begebe, gestattete er ihm nur bis Moel mitzukommen. Es erschien auch nicht rathsam, Hulda mit ihrer Mutter allein zu lassen. Nachdem jene einige Tage bettlägerig gewesen war, fing sie jetzt wieder an aufzustehen; sie war aber noch sehr schwach, hütete das Zimmer und Joël empfand es recht wohl, daß er sie nicht verlassen dürfe.
    Um elf Uhr stand der Schußkarren vor der Thür des

Weitere Kostenlose Bücher