Ein Lotterie-Loos
Vorkommnissen vertrautesten Seefischer kennen lernen, um danach die ersten zu unternehmenden Nachforschungen zu bestimmen.
Inzwischen hatten sich, auf die vom Seeamt abgegebenen Mittheilungen hin, die Tagesblätter von Christiania, darauf die von ganz Norwegen und Schweden, endlich überhaupt die Zeitungen ganz Europas der eigenartigen Thatsache – der Verwandlung eines Lotterie-Looses in ein Document – bemächtigt. Es lag entschieden etwas Rührendes in dieser Abschiedssendung eines Verlobten an seine Braut, und die öffentliche Meinung wurde dadurch, gewiß nicht ohne Grund, theilnahmsvoll erregt.
Das hervorragendste der Journale Norwegens, das »Morgen-Blad«, berichtete zuerst etwas ausführlicher die Geschichte des »Viken« und besonders Ole Kamp’s. Von den siebenunddreißig anderen Zeitungen, welche jener Zeit im ganzen Lande erschienen, unterließ es nicht eine einzige, dieselbe in Theilnahme erweckender Weise weiter zu verbreiten; »
Illustreret Nyhedsblad
« brachte ein (wenn auch erfundenes) Bild des Schiffbruchs. Man sah darauf den untergehenden »Viken«, seine Segel in Fetzen, seine Masten zur Hälfte gebrochen und das Hintertheil schon halb in den Wogenschwall eingetaucht. Auf dem Vordertheile stehend, warf Ole eben die Flasche ins Meer, in demselben Augenblick, wo er mit dem letzten Gedanken an Hulda seine Seele der Gnade des himmlischen Vaters empfahl. In allegorischem Fernbilde trug inmitten leichter Dunstbildung eine Welle die Flasche zu den Füßen des jungen Mädchens. Das Ganze erschien im Rahmen jenes Lotterie-Looses, dessen Nummer daraus schwach hervorschimmerte. Es war ja eine recht naive Darstellung; bei einer Bevölkerung aber, welche noch immer die Legenden von Wassernixen und Walküren hochhält, mußte sie gewiß einen großen Erfolg erzielen.
Das traurige Vorkommniß fand nun in den Ländern Europas und sogar bis hinüber nach Nordamerika immer weitere Verbreitung. Mit dem Namen Huldas und Oles wurde auch deren Geschichte durch Kreide-und Federzeichnungen unter die Leute gebracht. Ohne etwas davon zu wissen, genoß die junge Norwegerin die Auszeichnung, die öffentliche Aufmerksamkeit in Athem zu erhalten. Das arme Mädchen hatte gar keine Ahnung davon, wie viel sie im Munde der großen Menge war, und es hätte sie auch nichts von dem Schmerz ablenken können, der ihr ganzes Sein und Wesen mehr und mehr erfüllte.
Nach dem Vorhergehenden wird man sich gar nicht mehr über eine Wirkung verwundern können, die auf beiden Continenten alsbald zu Tage trat – eine sehr erklärliche Wirkung, weil die menschliche Natur einmal dazu neigt, sich von allem scheinbar Uebernatürlichen gern gefangen nehmen zu lassen. Ein Lotterie-Loos, das unter solchen Umständen aufgefunden wurde, diese Nummer 9672, welche, offenbar durch die Vorsehung begünstigt, den Wogen noch entrissen wurde, mußte unbedingt ein so zu sagen prädestinirtes Loos sein. Erschien dasselbe denn nicht wie durch ein Wunder dazu ausersehen, jedenfalls das große Loos von hunderttausend Mark zu gewinnen? War es nicht ein Vermögen, auf welches Ole Kamp so kindlich vertrauensvoll gerechnet hatte?
Niemand wird also staunen, daß in Dal, so ziemlich aus allen Ländern der Welt, sehr ernstgemeinte Angebote, das Loos zu erkaufen, einliefen, wenn Hulda Hansen nur zustimmte, es jemand Anderem zu überlassen. Zuerst waren die gebotenen Preise nur mäßig hoch, sie wuchsen aber von Tag zu Tage. Es ließ sich also voraussehen, daß es mit der Zeit und je nachdem sich der Zeitpunkt der Ziehung jener Lotterie mehr näherte, noch zu dringlichem Ueberbieten zwischen den Interessenten kommen würde.
Diese Angebote kamen, wie gesagt, nicht nur aus den skandinavischen Ländern, deren Bewohner so gern bereit sind, das Eingreifen übernatürlicher Kräfte in irdische Angelegenheiten anzuerkennen, sondern auch aus dem Auslande und selbst aus Frankreich. Die so phlegmatischen Engländer rührten sich hierbei ebenso, wie nach ihnen die Amerikaner, bei welchen die Dollars sonst, wenn es sich um so wenig praktische Phantasien handelt, nicht so leicht locker zu werden pflegen, kurz, es liefen eine ganz erhebliche Menge Briefe deshalb in Dal ein. Die Tagesblätter unterließen es nicht, den Betrag jener der Familie Hansen gethanen Angebote zu veröffentlichen. Man könnte wirklich sagen, es entstand eine Art kleiner Börse, an der der Tagescours immer, aber stets nur im Sinne der Hausse, wechselte.
So kam es dahin, daß schon mehrere hundert Mark
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