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Ein Lotterie-Loos

Ein Lotterie-Loos

Titel: Ein Lotterie-Loos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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für das Loos geboten wurden, was doch im Grunde nur ein Milliontel Aussicht hatte, das große Loos zu gewinnen. Das war ja ohne Zweifel thöricht, abergläubische Vorstellungen lassen sich aber einmal nicht mit dem Maßstabe gesunder Vernunft messen. Die Einbildung der Leute war einmal angeregt, und mit der dieser innewohnenden Kraft mußte sie sich immer weiter und gewissermaßen höher entwickeln.
    Das war auch thatsächlich der Fall. Schon acht Tage später verkündeten die Zeitungen, daß der gebotene Preis des Looses tausend, fünfzehnhundert, dann zweitausend Mark überschritten habe. Ein Engländer aus Manchester war bis auf zweihundert Pfund Sterling oder zweitausendfünfhundert Mark gegangen. Ein Amerikaner aus Boston überbot diesen noch und erklärte sich bereit, die Nummer 9672 von der Lotterie der Schulen Christianias für tausend Dollars, d. h. für fünftausend Mark, zu erwerben.
    Es versteht sich von selbst, daß sich Hulda um das, was gewisse Leute in dieser Angelegenheit in Feuer und Flammen brachte, nicht im mindesten bekümmerte. Von den das Loos betreffenden, in Dal angelangten Briefen wollte sie überhaupt keine Kenntniß nehmen. Der Professor vertrat jedoch die Meinung, man dürfe sie über die eingelaufenen Gebote wenigstens nicht ganz im Unklaren lassen, da Ole Kamp ihr das Besitzrecht an der Nummer 9672 ja gleichsam testamentarisch abgetreten hatte.
    Hulda wies alle Gebote zurück – das Loos war ja gleichzeitig der letzte Brief ihres Verlobten.
    Und man glaube ja nicht, daß das arme Kind daran etwa mit dem Hintergedanken hing, es könne ihr dadurch vielleicht einer der lockenden Lotterie-Gewinne zufallen. Nein, sie sah in demselben das letzte Lebewohl eines Schiffbrüchigen, eine Reliquie, welche sie sorgfältig aufbewahren wollte. Ja, sie dachte gar nicht an die Aussicht eines ihr zufallenden Vermögens, das Ole nicht hätte mit ihr theilen können. Was kann es Rührenderes, Zarteres geben, als diesen frommen Cultus eines Andenkens!
    Wenn Sylvius Hog und Joël die ihr gemachten Angebote Hulda mittheilten, hatten sie dabei gewiß keineswegs die Absicht, diese zu beeinflussen. Sie sollte vielmehr nur der Eingebung ihres Herzens folgen. Wir wissen ja schon, wie ihr Herz entschieden hatte.
    Joël stimmte seiner Schwester übrigens vollkommen zu. Das Lotterie-Loos Ole Kamp’s sollte Niemandem und um keinen Preis abgetreten werden.
    Sylvius Hog ging noch weiter, als dem blos zuzustimmen; er beglückwünschte sie, diesem ganzen Handel kein Ohr zu leihen. Sollte man dieses Loos an den Einen verkauft, an den Nächsten weiter verschachert und so in eine Art Papiergeld verwandelt sehen bis zu dem Augenblicke, wo die Ziehung der Lotterie daraus höchst wahrscheinlich ein werthloses Stückchen Makulatur machte?
    Ja, Sylvius Hog ging immer noch weiter. Sollte der Zufall auch ihn abergläubisch gemacht haben? Das wohl nicht, doch wäre Ole Kamp anwesend gewesen, so würde er zu ihm wahrscheinlich gesagt haben:
    »Behaltet Euer Loos, junger Freund, behaltet es selbst! Man hat es zuerst aus dem Schiffbruche gerettet und Euch selbst nachher. Nun, es wird sich ja zeigen… man weiß manchmal nicht… nein… man kann ja nicht wissen…!«
    Und wenn Sylvius Hog, der Professor der Rechtswissenschaft und Abgeordnete des Storthing, so dachte, darf sich dann Jemand über das Vorurtheil der großen Menge verwundern? Nein, es erschien dann ja so natürlich, daß diese Nummer 9672 eine starke Preissteigerung erfuhr.
    Im Hause der Frau Hansen gab es also Niemand, der gegen das so achtungswerthe Gefühl, welches die Handlungsweise des jungen Mädchens bestimmte, Einspruch erhoben hätte – Niemand, außer vielleicht ihre Mutter.
    In der That hörte man Frau Hansen wiederholt, und vorzüglich in Abwesenheit Huldas, sich nicht undeutlich beklagen, was Joël recht schweren Kummer verursachte. Seine Mutter – so glaubte er wenigstens – werde es nicht immer bei bloßen Klagen bewenden lassen, sondern würde sich wohl insgeheim mit Hulda wegen der dieser gemachten Angebote ins Einvernehmen zu setzen suchen.
    »Fünftausend Mark für dieses Loos! wiederholte sie öfters. Es bietet Einer fünftausend Mark!«
    Von dem Zartgefühl, das ihre Tochter alle solche Gebote ablehnen ließ, wollte Frau Hansen offenbar nichts wissen, sie dachte nur an die, in ihren Verhältnissen allerdings nicht unbedeutende Summe von fünftausend Mark.
     

    Hulda wies alle Gebote zurück. (S. 110.)
     
    Ein einziges Wort von Hulda hätte

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