Ein Lotterie-Loos
sagen sollen, daß ich Ihnen Vortheile zu bieten komme, welche Hulda, schon im Interesse ihrer Angehörigen, nicht in den Wind schlagen dürfte.
– Wirklich?…
– Und endlich, junger Brausekopf, erfahren Sie, daß ich nicht nach Dal gekommen bin, Ihre Schwester um Abtretung jenes Looses zu bitten. Alle Teufel, nein!
– Was wünschen Sie dann sonst?
– Ich wünsche nicht, ich verlange, ich fordere… weil ich will.
– Und mit welchem Rechte, rief Joël, heftiger werdend, wagen Sie, ein Fremder, in dieser Weise in meiner Mutter Hause zu sprechen?
– Mit dem Rechte, welches jeder Mensch besitzt, antwortete Sandgoust, zu sprechen, wann und wie es ihm beliebt, wenn er in seinen vier Pfählen ist.
– In seinen vier Pfählen!«
Höchst entrüstet drang Joël auf Sandgoïst ein, der, obwohl er sonst nicht leicht erschrak, aus dem Lehnstuhle aufgesprungen war. Hulda hielt jedoch ihren Bruder zurück, während Frau Hansen, das Gesicht in den Händen versteckt, nach dem anderen Ende der Gaststube zurückwich.
»Bruder!… Denk’ an unsere Mutter!«… bat das junge Mädchen.
Joël hielt sofort inne. Der Anblick der Mutter hatte seine Wuth gelähmt; ihre ganze Haltung verrieth, wie vollkommen sie in der Macht dieses Sandgoïst stehen müsse.
Als er Joël zaudern sah, raffte sich Letzterer wieder zusammen und nahm den vorher verlassenen Platz wieder ein.
»Ja, in seinen eigenen vier Pfählen! rief er mit noch drohenderer Stimme. Seit dem Ableben ihres Mannes hat sich Frau Hansen in Speculationen eingelassen, die sämmtlich fehlschlugen. Das geringe Vermögen, welches Euer Vater hinterließ, hat sie auf’s Spiel gesetzt und endlich bei einem Banquier in Christiania Anleihen aufnehmen müssen. Am Ende ihrer Hilfsquellen angelangt, hat sie dieses Haus als Pfand für eine Summe von fünfzehntausend Mark eintragen lassen, welche ihr gegen einen regelrecht ausgestellten Schuldschein geliehen wurden, gegen einen Schuldschein, den ich von dem Darleiher erstanden habe. Dieses Haus wird also, wenn ich nicht zum Termin bei Heller und Pfennig bezahlt werde, sehr bald mir gehören.
– Wann ist dieser Termin?
– Am 20. Juli, in achtzehn Tagen, erklärte Sandgoïst. Und an diesem Tage werde ich, ob Ihnen nun das gefällt oder nicht, hier innerhalb meiner eigenen vier Pfähle sein!
– Das werden Sie an jenem Datum nicht sein, außer wenn Sie bis dahin nicht voll befriedigt wären. Ich verbiete Ihnen also, so, wie Sie es gethan, vor meiner Mutter und meiner Schwester zu sprechen.
– Er verbietet es mir!… Mir!… rief Sandgoïst. Und verbietet’s mir seine Mutter auch?
– Aber so sprich doch, Mutter, sagte Joël, der auf diese zutrat und ihre Hände auseinander zu drängen versuchte.
– Joël!… Lieber Bruder!… flehte Hulda. Aus Mitleid für sie bitte ich herzlich, beruhige Dich!«
Den Kopf gebeugt haltend, brachte es Frau Hansen nicht über sich, ihren Sohn anzusehen. Es verhielt sich allerdings so, daß sie bald nach dem Ableben ihres Mannes ihr Vermögen durch etwas gewagte Unternehmungen zu vergrößern versucht hatte. Das wenige baare Geld, welches sie besaß, war dabei schnell, wie Spreu im Winde, verschwunden, und bald hatte sie drückende und ihren Untergang nur befördernde Anlehen aufnehmen müssen. Jetzt war nun der Pfandschein einer auf ihr Haus eingetragenen Hypothek in die Hände Sandgoïst’s von Drammen, an einen herzlosen Mann, einen im ganzen Lande bekannten und verabscheuten Wucherer übergegangen. Frau Hansen hatte ihn selbst zum ersten Male an dem Tage gesehen, wo er nach Dal gekommen war, um sich über den Werth ihres Anwesens durch den Augenschein ein Urtheil zu beschaffen. Das war also das Geheimniß, welches auf ihrem Herzen lastete. Ja, Sandgoïst hatte recht wohl die Mittel in der Hand, seine Wünsche durchzusetzen. Das Loos, welches er heute haben wollte, würde binnen vierzehn Tage vielleicht gar keinen Werth mehr haben, und wenn er es jetzt nicht ausgeliefert erhielt, so bedeutete das den Untergang, den Verlust des Hauses, die Obdachlosigkeit und den schwersten Mangel für die Familie Hansen – mit einem Worte, das bitterste Elend.
Hulda wagte gar nicht, zu Joël die Augen zu erheben; Joël aber, den der Ingrimm übermannte, wollte nichts von der drohenden Zukunft hören. Er sah nur Sandgoïst vor sich, und wenn dieser Mann noch einmal so wie vorhin in seiner Gegenwart sprach, würde er sich nicht bemeistern können…
Sandgoïst, der sich als Beherrscher der Sachlage
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