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Ein Lotterie-Loos

Ein Lotterie-Loos

Titel: Ein Lotterie-Loos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Leute eine so väterliche Zuneigung, daß er auch an eigenen leiblichen Kindern kaum inniger hätte hängen können. Wie hatten sie ihm gefehlt während seiner kurzen Abwesenheit – aber wie sehr mochte er auch ihnen gefehlt haben!
    »Sie werden sich schon aussprechen, dachte er, sie müssen ja sprechen. Gehör’ ich denn nicht auch zur Familie?«
    Ja, Sylvius Hog hielt sich jetzt für wirklich berechtigt, in das Privatleben seiner jungen Freunde mit einzugreifen und zu erfahren, warum Joël und Hulda noch unglücklicher als zur Zeit seiner Abreise erschienen. Er sollte darüber bald genug aufgeklärt werden.
    Wirklich sehnten sich ja Beide danach, dem vortrefflichen Manne, dem sie mit wahrer Kindesliebe zugethan waren, ihr ganzes Herz zu öffnen. Sie warteten so zu sagen nur auf eine erste Frage von seiner Seite; seit den letzten zwei Tagen hatten sie sich ja gar so verlassen gefühlt, und zwar desto mehr, weil Sylvius Hog nicht einmal gesagt hatte, wohin er ginge.
    Nein, noch niemals waren ihnen die Stunden so lang vorgekommen. Ihrer Ansicht nach konnte seine Abwesenheit nur mit Nachforschungen über das Schicksal des »Viken« im Zusammenhange stehen, dagegen wäre es ihnen niemals in den Sinn gekommen, daß Sylvius Hog Zweck und Ziel seiner Reise nur geheim halten könne, um ihnen im Falle eines Mißerfolges die schlimmste Enttäuschung zu ersparen.
    Und doch, wie erschien ihnen seine Anwesenheit jetzt mehr als je vonnöthen! Wie verlangte es sie danach, ihn zu sehen, seinen Rath einzuholen und seine stets liebevolle, ermuthigende Stimme zu hören! Doch sollten sie es wagen, ihm mitzutheilen, was zwischen ihnen und dem Wucherer aus Drammen vorgekommen war und wie ihre Mutter die ganze Zukunft der Familie unbedacht auf’s Spiel gesetzt habe? Was würde Sylvius Hog denken, wenn er hörte, daß das Loos sich nicht mehr in Huldas Händen befand, wenn er erfuhr, daß Frau Hansen es benützt hatte, sich von ihrem unerbittlichen Gläubiger zu befreien?
    Es sollte ihm dennoch nicht verhehlt bleiben. Von wem dabei das erste Wort ausging, ob von Sylvius Hog oder von Joël und Hulda, ist nicht festzustellen und hat ja auch keine weitere Bedeutung. Genug, der Professor war bald in die ganze Angelegenheit eingeweiht. Er wußte nun, in welch drückender Lage sich Frau Hansen und ihre Kinder befunden hatten. Binnen vierzehn Tagen drohte der Wucherer, sie aus dem Gasthause in Dal zu vertreiben, wenn seine Forderung nicht durch Auslieferung jenes Lotterie-Looses ausgeglichen worden wäre.
    Sylvius Hog hatte diesen traurigen Bericht, den Joël in Gegenwart seiner Schwester ihm abstattete, stumm angehört.
    »Das Loos hätte nicht weggegeben werden dürfen, sagte er dann plötzlich. Nein, das durfte nicht geschehen!
    – Konnte ich anders, Herr Sylvius? rief das junge Mädchen tief erschüttert.
    – Nein… freilich… Sie konnten wohl nicht anders handeln!… Und doch… Oh, wenn ich dabei gewesen wäre!«
    Und was hätte er wohl gethan, der Professor Sylvius Hog, wenn er dabei gewesen wäre? Das ließ er nicht laut werden, sondern fuhr fort:
    »Ja, meine liebe Hulda, ja, Joël, Ihr habt ja eigentlich nur nach Kindespflicht gehandelt. Doch was mich ergrimmt, ist der Umstand, daß jener Sandgoïst nur den Aberglauben der Leute ausbeuten wird. Wenn man dem Loose des armen Ole eine Art übernatürlichen Werth andichtet, so wird nur er daraus Vortheil ziehen. Und doch, zu glauben, daß jene Nummer 9672 nothwendigerweise vom Schicksal besonders begünstigt sein müßte, ist lächerlich, ist geradezu thöricht! Doch, Alles in Allem, ich selbst hätte ihm das Loos bestimmt nicht überlassen. Nachdem sie Sandgoïst’s Gebot abgeschlagen, hätte Hulda besser gethan, auch ihrer Mutter gegenüber auf derselben Weigerung zu beharren!«
    Auf Alles, was Sylvius Hog hier sagte, vermochten die Geschwister keine Antwort zu geben. Mit Ueberlassung des Looses an ihre Mutter hatte Hulda ja nur einem kindlichen Gefühle Folge gegeben, um deswillen sie doch Niemand tadeln konnte. Das Opfer, zu dem sie sich entschlossen, war ja nicht eine Aufopferung mehr oder weniger zufälliger Gewinnaussichten, welche jenes Loos bei der Ziehung der Lotterie in Christiania haben mochte, nein, es war der Verzicht auf Erfüllung des letzten Willens Ole Kamp’s, es war der Verlust des letzten Abschiedswortes von ihrem unglücklichen Verlobten.
    Doch darauf war jetzt nicht mehr zurückzukommen. Sandgoïst besaß das Loos, welches ihm rechtmäßig gehörte und das er

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