Ein Lotterie-Loos
zum Verkauf stellen würde. Ein elender Wucherer sollte nun Geld schlagen aus dem rührenden Lebewohl eines Schiffbrüchigen! Nein, Sylvius Hog konnte darüber nicht hinwegkommen.
Noch an demselben Tage suchte Sylvius Hog darüber noch ein Gespräch mit Frau Hansen herbeizuführen, ein Gespräch, das an der Lage der Dinge zunächst zwar nichts ändern konnte, aber das zwischen ihnen gewissermaßen zur Nothwendigkeit geworden war. Er stand dabei übrigens einer sehr praktischnüchternen Frau gegenüber, welche ohne Zweifel mehr gesunden Menschenverstand, als tieferes Gefühl besaß.
»Sie tadeln mich also, Herr Hog? fragte sie, nachdem sie den Professor ganz nach seinem Belieben hatte ausreden lassen.
– Gewiß, Frau Hansen.
– Wenn Sie mir darüber Vorwürfe machen, mich unbesonnener Weise in schlecht auslaufende Geschäfte eingelassen, des Vermögen meiner Kinder verscherzt zu haben, so gebe ich Ihnen Recht. Doch wenn Sie mir vorwerfen, so wie ich es that gehandelt zu haben, um mich zu retten, dann haben Sie Unrecht. – Was könnten Sie darauf antworten?
– Nichts.
– Im Ernst gesprochen, sollte ich das Angebot Sandgoïst’s abschlagen, der doch schließlich fünfzehntausend Mark für die Abtretung eines Lotterie-Looses gezahlt hat, dessen höherer Werth ja durch gar nichts begründet ist? Ich frage Sie noch einmal, sollte ich das abschlagen?
– Ja und nein, Frau Hansen.
– Nein, hier kann’s nicht ja und nein heißen, Herr Hog, sondern nur nein! Wenn in unserer Lage, die Sie ja kennen gelernt, die nächste Zukunft – ich gestehe durch meine Schuld – nicht gar so drohend erschienen wäre, gut, dann hätte ich Huldas Weigerung recht wohl begriffen. Ja, ich hätte eingesehen, daß sie sich um keinen Preis von diesem ihr von Ole Kamp zugekommenen Loose trennen wollte. Wenn es sich aber darum handelte, binnen wenig Tagen aus dem Hause gejagt zu werden, in dem mein Mann die Augen geschlossen, in dem meine Kinder das Licht der Welt erblickten, dann hätte ich das nicht verstehen können, und Sie selbst, verehrter Herr Hog, hätten an meiner Stelle nicht anders gehandelt.
– Und doch, Frau Hansen, doch!
– Und was hätten Sie gethan?
– Ich würde eher Alles versucht haben, als das Loos zu opfern, das meine Tochter gerade unter solchen Verhältnissen erhalten hatte.
– Machen diese Verhältnisse dasselbe etwa werthvoller?
– Das wissen Sie nicht und ich nicht, das weiß überhaupt Niemand.
– O, das kann man denn doch beurtheilen, Herr Hog! Auch dieses Loos ist weiter nichts, als ein Lotterie-Loos, das neunhundertneunundneunzigtausendneunhundertneunundneunzigmal zu verlieren und dagegen einmal zu gewinnen Aussicht hat. Legen Sie ihm deswegen einen besonderen Werth bei, weil es in einer aus dem Meere aufgefischten Flasche gefunden wurde?«
Auf diese so gestellte Frage hatte Sylvius Hog freilich einige Mühe zu antworten. Er spielte die Sache daher wieder auf die »Gefühlsseite« hinüber und sagte:
»Der Sachverhalt ist folgender: Ole Kamp hat Hulda im Augenblicke, wo ihm der Untergang drohte, das einzige Werthobject hinterlassen, das er noch auf der Welt besaß. Er hat ihr sogar anempfohlen, am Ziehungstage mit diesem Loose, wenn es ein glücklicher Zufall ihr in die Hand spielte, in Christiania gegenwärtig zu sein, und nun hat Hulda das Loos nicht einmal mehr in der Hand!
– Wäre Ole Kamp zurückgekehrt, bemerkte dazu Frau Hansen, so würde auch er nicht gezögert haben, das Loos an Sandgoïst zu überlassen.
– Das ist wohl möglich, erwiderte Sylvius Hog, er hatte auch allein das Recht dazu. Was würden Sie ihm denn antworten, wenn er nicht todt, nicht bei einem Schiffbruche umgekommen wäre, wenn er zurückkäme… schon morgen… noch heute…
– Ole wird nicht zurückkehren, antwortete Frau Hansen mit dumpfer Stimme. Ole ist todt, Herr Hog, ist sicherlich todt!
– Das wissen Sie nicht, Frau Hansen! rief der Professor mit wirklich auffallend überzeugendem Tone. Es sind sehr umfassende Nachforschungen eingeleitet, um irgend einen Ueberlebenden von dem Schiffbruche zu finden. Diese können ja glücken, können glücken, noch bevor jene Lotterie gezogen wird. Sie haben also nicht das Recht, zu sagen, daß Ole todt sei, wenigstens nicht, bevor Beweise beigebracht worden sind, daß er bei dem Unfalle des »Viken« umgekommen ist. Wenn ich jetzt nicht mit derselben Zuversicht gegen Ihre Kinder spreche, so geschieht es, weil ich in denselben keine Hoffnungen wach rufen möchte,
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