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Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme

Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme

Titel: Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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so deprimierend, dass es einem danach richtig gut geht.«), dass er gerade Krieg und Frieden las (»In meiner vorigen Schule hatte ich Russisch und habe angefangen, Tolstoi zu lesen. Die Bücher sind echt spannend, aber man braucht ewig, bis man durch ist.«) und dass er gern klassische Musik hörte (»Liszt, Wagner, Beethoven …«), selbst aber kein Instrument spielte.
    »Jetzt denkst du bestimmt, ich bin ein Außerirdischer oder so.«
    »Gar nicht!« In Wahrheit hatte ich natürlich sofort Typisch Vampir! gedacht. »Mein Vater hört manchmal Klassikradio. Mir gefallen Film-Soundtracks.«
    Ansonsten behielt ich meine eigenen Vorlieben für mich: die Twilight -Bücher von Stephenie Meyer, Desperate Housewives und Katy Perry.
    »So so.« Er lächelte.
    »Hab ich was Komisches gesagt?«
    »Nein. Also: Hältst du mich jetzt für einen Außerirdischen?«
    »Quatsch!«
    »Dann ist ja gut. Ich weiß selber, dass ich ein bisschen altmodisch bin.«
    »Ein bisschen.«
    »Ich mag Geschichte und Literatur und überhaupt alles Alte, auch wenn man damit praktisch nicht viel anfangen kann.«
    »Wie meinst du das?«
    »Man kann nicht davon leben.« Es klang traurig, aber als er mich ansah, lächelte er wieder.
    Wir verließen die Lichtung und den Park und schlenderten durch die Straßen. Dann stellte ich fest, dass wir ganz in der Nähe vom Flohmarkt waren. Dort gab es nicht nur Klamotten, und außerdem gefielen Raf meine Secondhandschnäppchen ja offenbar, auch wenn er das nicht ausdrücklich gesagt hatte.
    Ich wechselte das Thema. Ich wollte gern noch mehr über ihn erfahren, persönlichere Dinge – obwohl es mir auch gefiel, dass er so verschlossen war. Ich hing immer noch an der Vorstellung, dass ihn ein Geheimnis umgab, dass er vielleicht doch ein übernatürliches Wesen war.
    Andererseits plagte mich das schlechte Gewissen, dass ich mich womöglich zu wenig für andere Menschen interessierte.
    »Auf welcher Schule warst du denn vorher?«, fragte ich.
    »Vorher?«
    »Bevor du zu uns gekommen bist.«
    »Ach … auf einigen. Ich weiß nicht mehr.«
    »So was vergisst man doch nicht! Wo hast du zum Beispiel Russisch gelernt?«
    »Die Schule kennst du sowieso nicht. Hier lang geht’s zum Flohmarkt, oder? Kaufst du da deine Sachen? Hast du einen Lieblingsstand?«
    Ich lieferte ihm einen zehnminütigen Überblick über die Vintagemode-Stände in Camden sowie die Secondhandläden bei uns in Tithe Green, und er stellte lauter Zwischenfragen, sodass ich erst nach einer Weile merkte, dass er mich nur ablenken wollte.
    »Warum redest du nicht gern über dich, Raf?«
    »Was?«
    »Jedes Mal, wenn ich dich was Persönliches frage, weichst du mir aus.«
    »Über mich gibt’s nichts zu erzählen.«
    »Ich will es aber wissen.«
    »Über mich gibt’s wirklich nichts zu sagen. Jedenfalls nichts Gutes. Willst du eigentlich eure Bäckerei erweitern? Dein Vater meinte, er weiß es noch nicht. Er wartet ab, wie du dich entscheidest.«
    »Es ist echt schrecklich«, seufzte ich. »Meine Eltern erwarten von mir, dass ich jetzt in das Geschäft investiere und den Laden dann eines Tages übernehme. Aber ich weiß noch gar nicht, ob ich das will! Dauernd soll ich irgendwelche Entscheidungen treffen, dabei bin ich einfach noch nicht so weit.«
    »Na ja … wenn du zu lange wartest, gibt es die Bäckerei vielleicht nicht mehr.«
    »Wie kommst du denn darauf?«
    »Dein Vater hat ziemliche Probleme.«
    »Was für Probleme denn?«
    »Erstens die allgemeine Wirtschaftskrise, zweitens die Konkurrenz, zum Beispiel die Einkaufspassage, und drittens ist dein Vater nicht mit der Zeit gegangen.«
    Was hatte die allgemeine Wirtschaftskrise mit unserer Backstube zu tun, bitte schön?
    »Die ganze Ladenstraße leidet unter der Einkaufspassage«, fuhr Raf fort. »Jasper sucht bereits einen anderen Standort für das Internetcafé, deswegen steckt er auch kein Geld mehr in den Laden. Er hat es nur dort probiert, weil die Miete niedrig war, aber er meint, die Hauptstraße kann einpacken.«
    »Und wo will er hin?«
    »Weiß er noch nicht. Vielleicht macht er auch was ganz anderes, mal sehen.«
    »Und was machst du dann?«
    »Keine Ahnung. Ich bin für ihn sowieso nur ein Klotz am Bein.«
    »Mensch, Raf …«
    »Schon okay. Bevor ich den Mittleren Schulabschluss nicht habe, schmeißt er mich nicht raus. Danach kann ich ja von der Schule abgehen und … und irgendwo jobben oder so.«
    »Willst du denn kein Abi machen?«
    »Ich will sowieso nicht studieren. Ich will so

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