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Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme

Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme

Titel: Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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vor wie im Hotel.« Er schauderte.
    »Ist dir kalt?« Ich trat näher.
    »Ein bisschen.«
    Ich schlang die Arme um ihn, doch da schwang die Balkontür auf und der Makler verkündete: »Und hier haben wir die Dachterrasse. Sie erstreckt sich über die ganze Breite des Gebäudes und bietet einen fest eingebauten Grill und einen atemberaubenden Ausblick über Hampstead Heath, wie Sie mir sicherlich bestätigen werden.«
    Ich hätte mir gern den Grill angeschaut, aber Raf meinte: »Wollen wir gehen?«, darum sagte ich nur: »Okay. Die Wohnung ist ihr Geld nicht wert, oder?«
    »Doch, aber man zahlt natürlich irgendwelche Spielereien mit, die wahrscheinlich bald kaputtgehen. Wer braucht schon ein Sound System?«
    Draußen auf der Straße betrachtete er prüfend meine Stiefel. »Hast du Lust auf einen Spaziergang? Ich muss mal weg von den vielen Leuten.«
    »Im Park ist auch ganz schön was los«, wandte ich ein, aber er schüttelte den Kopf.
    »Es gibt auch Stellen, wo es nicht so voll ist. Man muss nur einen großen Bogen um den Drachenhügel machen.«
    »Ach so. Na gut«, willigte ich ein bisschen enttäuscht ein. Der kleine Berg gehörte zu meinen Lieblingsorten. Als ich klein war, hatten Opa und ich dort Drachen steigen lassen und Opa hatte mir die Wahrzeichen von London gezeigt: den Fernsehturm, die Hochhäuser in den Docklands, das Riesenrad.
    »Meine Stiefel können ein bisschen Matsch ab«, sagte ich. »Wenn sie zu dreckig werden, kauf ich mir einfach neue.«
    Nanu? Wo war Raf? Er hatte sich in Luft aufgelöst!
    Ich drehte mich einmal um mich selbst, konnte ihn aber nirgends entdecken. Eben hatte er doch noch neben mir gestanden!
    »Hier …«, er trat aus einem kleinen Laden, »... für dich!« Er überreichte mir einen wunderschönen knallroten Drachen mit grünem Schwanz.
    »Woher hast du … Kannst du Gedanken lesen?«
    »Das war nicht nötig. Komm!«
    Wir rannten in den Park und über die Wiesen und blieben erst auf halber Höhe des Drachenhügels wieder stehen, weil ich so außer Puste war, dass ich mich auf eine Bank setzen musste. Danach dauerte es eine Weile, bis wir uns wieder entknotet hatten und weiterlaufen konnten.
    Oben auf dem Hügel war es tatsächlich sehr voll, aber man konnte bis zum Kristallpalast sehen. Die Sonne schien, der Himmel war strahlend blau und es wehte ein leichter Wind. Ideales Wetter zum Drachensteigenlassen. Raf sah mir einfach nur zu, wobei ich mich zwischendurch immer wieder nach ihm umdrehte und ihm zuschaute, wie er mir zuschaute – bis der Drachen irgendwann abstürzte.
    Danach gingen wir weiter, durch ein Wäldchen bis auf eine kleine, menschen- und hundeleere Lichtung, die Raf kannte. Dort war es friedlich und still, nur die Bäume rauschten im Wind. Raf legte den Arm um mich. Wir kuschelten uns aneinander und redeten eine Zeit lang überhaupt nicht.
    »Schön hier«, sagte er dann. »An so einem Ort bekommt man wieder Lust zu leben.«
    Was sollte das denn bedeuten? Oder hatte ich mich verhört?
    »Der Rest der Welt ist weit weg und alles ist gut«, setzte er hinzu.
    Das stimmte. Ich dachte auch nicht mehr an Donna, an Jack, Shaz oder meine Eltern.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte ich und wollte aufstehen.
    Er streichelte mir sanft die Wange. »Ist doch schön, so wie es ist.«
    »Schon … aber wir können doch was unternehmen! Wir können ins Kino gehen oder ins Restaurant oder shoppen, was du willst. Such dir was aus.«
    Er schüttelte lachend den Kopf. »Für den Drachen hab ich mein letztes Geld ausgegeben.«
    »Ich kann doch bezahlen! Shaz will von mir nichts annehmen, mit Jack ist es grade auch schwierig, also tu mir den Gefallen und hilf mir beim Geldausgeben!«
    »Warum ist es denn schwierig mit Jack? Wegen seinerMutter? Oder weil du Angst hast, dass er dich verklagt?«
    »Keine Ahnung … alles zusammen. Es ist schrecklich, wenn man plötzlich nicht mehr weiß, ob man seinem besten Freund noch trauen kann.«
    »Dazu kann ich dir auch nichts sagen … aber verklagen kann er dich schon mal nicht. Ich habe im Internet recherchiert. Es kommt einzig und allein darauf an, wessen Name auf dem Schein steht.«
    »Da steht nur mein Name, seiner nicht. Es war mein Schein.« Mir kamen die Tränen. »Jack hat ihn mir zum Geburtstag geschenkt, als Witz sozusagen. Er konnte nicht wissen, dass ich gewinnen würde.«
    »Eben. Seine Mutter kann sich den ganzen Aufstand sparen.« Raf küsste mich aufs Haar. Er sprach undeutlich, weil er das Gesicht in meine Locken

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