Ein Macho auf Abwegen
sich ihm das gleiche Bild wie vor ein paar
Tagen. Der kleine Privatweg war rechts und links von einigen geparkten
Übertragungswagen der verschiedensten Fernsehsender und anderen Fahrzeugen
zugeparkt.
Er stellte mit Schrecken fest, dass die Einfahrt offen
stand. Auf der Grundstückszufahrt waren ebenfalls Pressefahrzeuge abgestellt.
Er fuhr langsam an den Wagen vorbei. Vor dem Haus war die ganze Presse-Bagage
um ein Taxi versammelt. Er konnte gerade noch sehen, wie Christina in den Fonds
des Wagens einstieg. Er bremste seinen Jeep abrupt ab und lief zu Fuß weiter.
Bis zum Taxi konnte er mit dem Auto sowieso nicht durchkommen. Die Taxe fuhr
gerade an, als Marc sich bis dorthin durchgekämpft hatte.
Er stellte sich genau vor den gerade anrollenden Wagen. Dem
Fahrer blieb nichts anderes übrig als sein Fahrzeug wieder zum Stillstand zu
bringen.
Das war ein gefundenes Fressen für die Presse. Die Kameras
klickten unentwegt, während Marc energisch um das Taxi herumging. Es wurde
schlagartig mucksmäuschenstill. Jeder wollte mithören, was Stevens nun sagen
würde. Er öffnete die hintere Wagentüre. „Was soll das, Christina? Wo willst du
hin?“, fragte er besorgt. Christina flüsterte: „Weg. Einfach nur weg von hier.“
Ihr liefen Tränen unter der dunklen Sonnenbrille die Wangen hinunter. Marc
hockte sich vor sie hin, um mit ihr auf Augenhöhe zu sein. Über ihm wurden die
Richtmikrofone ausgerichtet, doch das übersah er einfach. Er konnte sich an
einer Hand ausrechnen, dass jetzt jedes Wort mitgeschnitten wurde, es war ihm
jedoch egal. So was von scheißegal!, dachte er. Von mir aus kann die ganze Welt
zusehen, wie ich mir meine Frau wiederhole.
Trotz der vielen Menschen war es immer noch ganz und gar
still. Niemand sprach einen Ton. Nicht einer fragte etwas. Man hörte nur das
beharrliche Knipsen der Kameras. „Ich möchte aber nicht, dass du gehst,
Christina. Komm, steig bitte aus!“ Er reichte ihr seine Hand, doch sie machte
keinerlei Anstalten, seiner Aufforderung zu folgen. Der dicke Kloß in ihrem
Hals ließ nur noch ein leises Murmeln zu. „Henning hat Recht. Wir müssen
vernünftig sein. Ich mache dir dein Leben kaputt.“ Marc nahm seine Sonnenbrille
ab. Das sollte sie ihm noch einmal direkt ins Gesicht sagen. „Nein, Marc! Tu
das nicht!“, rief Christina panisch.
„Was soll ich nicht machen?“, fragte er nach. „Lass bitte
die Brille auf! Bitte!“ Sie wollte und konnte ihm nicht in die Augen sehen.
Seinen Blicken hatte sie noch nie trotzen können. Sie ließ ihren Kopf kraftlos
herunterhängen.
„Schau mich an, Christina!“ Seine Stimme war so unglaublich
sanft. Sie schüttelte nur den Kopf und starrte weiter nach unten. Marc rückte
mit einer Hand sachte ihr Kinn nach oben und zwang sie auf diese Weise, ihn
anzusehen. Christina war klipp und klar, was diese Geste zu bedeuten hatte:
Schau mich genau an! Was ich dir nun sage, ist die ganze Wahrheit und nichts
als die Wahrheit!
Mit der anderen Hand nahm er ihr nun wortlos ihre dunkle
Sonnenbrille ab. Er schluckte einmal kräftig, als er in die vermeintlich
hoffnungslosesten Augen des Universums blickte. „Du ruinierst mein Leben nicht.
Du bist mein Leben! Alles andere bedeutet mir nichts. – Nichts mehr.“ Er war
wohl in seinem bisherigen Leben selten so ehrlich gewesen. „Es geht ohne dich
nicht mehr. Hörst du? Bleib bei mir. Bitte, Christina!“ Er nahm ihre Hand
zwischen seine Hände und küsste sie sanft. „Ich liebe dich!“
Christina zwang sich, nicht auf ihre Gefühle zu hören. Sie
hatte seit langer Zeit wegen Marc ihren Verstand ausgeschaltet. Sie hätte es
besser wissen müssen. Diese Beziehung hatte nur ein böses Ende nehmen können.
Sie blickte in seine wunderbaren Augen, in denen so viel geschrieben stand. Sie
las darin einen ungeheuren Schmerz, ebenso eine nicht unerhebliche Dosis Verzweiflung,
Trauer und Niedergeschlagenheit, aber auch unendliche Ehrlichkeit. Das alles
unterstrich die Aufrichtigkeit seiner Worte. Er quälte sich selbst und sie, den
Menschen, der gerade dabei war, ihn zu martern, ihm sein Herz zu brechen. Ihr
war noch nie so klar, wie in diesem Moment, wie sehr sie ihn liebte, und wie
sehr sie ihn brauchte. Ihr wurde bewusst, dass sie niemals mehr auch nur einen
einzigen Tag verbringen könnte, ohne an ihn zu denken, ohne genau diesen
Anblick vor Augen zu haben. Niemals würde sie diesen Mann vergessen können.
Niemals würde sie jemanden so ehrlich, so selbstverständlich und unendlich
lieben
Weitere Kostenlose Bücher