Ein Macho auf Abwegen
können wie Marc.
Doch das alles zählte jetzt nicht. Sie musste augenblicklich
alle Gefühle aus dem Spiel lassen. Wer weiß, wie lange Marc sich überhaupt noch
auf sie einlassen könnte und wollte, wenn sein ganzer Horizont auseinander
brechen würde, wenn alles das, wofür er gelebt hatte, ruiniert wäre. War er
wirklich so stark, um sie für den Rest ihres Lebens aushalten zu können? Sie war
in der Tat eine bleierne Last, mit dem Päckchen, was sie zu tragen hatte. Sie
musste vernünftig sein, Marc konnte es offensichtlich nicht. Sie musste
überlegt handeln. Nicht für sich. Nur für den Mann, der ihr so viel bedeutete.
„Ich liebe dich auch, aber lass mich jetzt bitte gehen! Es
geht nicht mehr. Bitte Marc, lass mich ...“ Sie konnte nicht mehr
weitersprechen. Sie fühlte sich schwach und hilflos. „Fahren Sie bitte los!“,
wies sie den Fahrer schluchzend an.
„Sie fahren nirgendwo hin!“, zischte Marc messerscharf. Der
Taxifahrer war deutlich verunsichert. „Ja, was denn nun? Losfahren oder hier
bleiben? Wenn Sie sich dann irgendwann einig werden könnten.“
Marc war noch lange nicht fertig. So schnell gab ein Marc
Stevens nicht auf. Er redete weiter auf Christina ein. „Meinst du denn, ich
könnte noch irgendeine Note komponieren oder sonst irgendetwas tun, ohne dich?
Ich brauche dich, Christina. Bitte sei doch vernünftig!“
„Ich bin vernünftig. Jetzt, in diesem Moment, tue ich das
wohl Vernünftigste meines Lebens. Ich hätte niemals etwas mit dir anfangen
dürfen, oder wenigsten schon viel früher gehen müssen. Ich habe dich da in
etwas hineingezogen, und das tut mir sehr leid.“ Sie streichelte sanft über
seine Wange. „Ich will dein Leben nicht zerstören.“
„Du willst weg, damit mir mein beruflicher Erfolg bleibt.
Habe ich dich da richtig verstanden?“, fragte er kraftlos. „Ja! Aus welchen
Gründen sollte ich dich denn sonst verlassen?“ Für Christina wurde die
Situation immer unerträglicher. Sie kam sich vor, als würde sie gerade vor der
allerletzten Entscheidung ihres Daseins stehen: Springe ich jetzt von der
Brücke, oder nicht?
Warum verstand er es denn nicht? Es war doch das einzig
Richtige.
„Marc, schau! Du brauchst doch den Leuten hier nur zu sagen,
wie sehr ich dich hintergangen habe. Sag’ ihnen, dass du keine Ahnung von alle
dem hattest. Du kriegst das schon wieder hin!“
Auf einmal war die Müdigkeit aus seinem Gesicht
verschwunden. Er sprach ausgesprochen langsam, jedoch mit nachdrucksvollem
Unterton, der Christina sehr fremd vorkam. „Einen Scheißdreck werde ich tun,
Prinzessin!“ Im nächsten Moment lächelte er jedoch schon wieder und setzte
seinen verlockendsten Blick auf. Er kannte Christina gut genug, um zu wissen,
dass sie sich seinem Augenspiel zu keiner Zeit widersetzen könnte. Der Effekt
war stets der gleiche gewesen: Christina war immer kampfunfähig
dahingeschmolzen und hatte sich ihm willenlos hingegeben. „Weißt du, was ich
machen werde? Ich meine, was wir zwei tun werden?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein.“
Sie wollte ihn gar nicht mehr ansehen. Marcs Blick tat bereits seine
befürchtete Wirkung, und sie fühlte, wie ihr langsam aber sicher die Energie
verloren ging. Sie kam sich vor wie in einem Boxring.
Meine Damen und Herren, in der blauen Ecke boxt für sie
heute der Verstand. In der roten Ecke sein gefährlichster Gegner aller Zeiten,
das Bauchgefühl. Ring frei für Runde Eins!
Plötzlich war sämtliche Melancholie aus Marcs Augen
verschwunden. Sie spiegelten nur noch gewaltige Entschlossenheit wieder, denn
Marc sprach das aus, was er im Grunde auf keinen Fall in seiner Lebensplanung
vorgesehen hatte. Christina musste eindeutig wissen, wie außerordentlich
wichtig sie für ihn geworden war. Er war sich noch nie so sicher, das Richtige
zu tun, und es ging ihm überraschend leicht über seine Lippen: „Christina,
willst du mich heiraten?“
Oh, wie der schaute! Verstand und Bauch boxten den Kampf
ihres Lebens. Wie konnte er nur auf so eine Idee kommen? Hier und heute ... und
überhaupt! Sie mahnte sich selber zur Besonnenheit. Sie durfte sich einfach
nicht von diesem kleinen Augenblick treiben lassen, egal welche Register dieser
Mann noch ziehen würde. „Nein, Marc. Ich werde dich ganz sicher nicht heiraten.
Lass mich jetzt bitte gehen!“, antwortete sie mit eiskalter
Assistentinnenstimme.
Der Verstand stand triumphierend in seiner blauen Ringecke,
das Bauchgefühl hockte ihm schlapp und schwer angeschlagen
Weitere Kostenlose Bücher