Ein Macho auf Abwegen
den
flamencoähnlichen Tanz beherrschte. Er erweckte mit seinen rhythmischen
Bewegungen Christinas südländisches Temperament, und die beiden tanzten sich in
ausgelassene Hochstimmung. Irgendwann warf sie ihre Mördersandalen in hohem
Bogen weg und tanzte einfach barfuß weiter.
„Was kann deine Frau eigentlich nicht?“, fragte Dirk Althoff
den Bräutigam. „Das muss, glaube ich, noch erfunden werden“, grinste Marc
stolz. Es war eine wahre Wonne, Christina mit ihrem Filius zuzusehen.
Inzwischen war die gesamte Marbellafraktion auch auf die Tanzfläche gekommen
und gab ihre Künste zum Besten. Die Stimmung war nicht mehr zu toppen. Das Fest
verlief genau wie er es sich vorher ausgemalt hatte.
Christina war so sexy heute Abend. Er hätte sie am liebsten
sofort in das Schlafzimmer verschleppt, damit sie nur für ihn tanzte.
Sie war wie im Rausch. Dabei hatte sie lediglich ein paar
Mal an ihrem Sektglas genippt. Sie genoss ihren Zustand. So ausgelassen hatte
sie schon jahrelang nicht mehr getanzt und gefeiert. Ihr Sohn war einfach
fabelhaft. Warum er zurzeit keine Freundin hatte, konnte sie nicht
nachvollziehen. So attraktiv wie Manuel war, mussten ihm die Frauen doch zu
Füßen liegen.
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Auch seine kleine Schwester war ein bildhübsches junges
Mädchen. Ob Isabel schon einmal so richtig verliebt war? Wusste ihre Tochter,
wie es war, bis über beide Ohren verliebt zu sein? Ob sie dieses Kribbeln im
Bauch kannte? Christina nahm sich vor, in den nächsten Tagen ganz intensiv Zeit
mit Manuel und Isabel zu verbringen, um so viel wie nur möglich über deren
Lebensumstände zu erfahren. Eine Woche wollten die beiden noch bleiben, und sie
freute sich jetzt schon auf diese Tage, die sie ausschließlich für ihre Familie
reserviert hatte.
Sie wünschte ihren Kindern auch einmal solches Glück
erfahren zu dürfen und ihren Traummenschen treffen zu können. Sie wünschte
Manuel und Isabel die gleichen gedeihlichen Momente und Gefühle, die sie am
heutigen Tag so glücklich machten.
Sie sah Marc mit Dirk und Gaby an der Bar stehen. Oh, wie
sehr sie diesen großartigen Vollmann begehrte! Er war ein Bild von einem Mann.
Und diese Augen! Sie musste unwillkürlich lächeln, als ihr die Szene aus dem
Standesamt wieder in den Sinn kam. Was der alles durch seine Guckwerkzeuge mit
mir anstellen kann! Sie hatte kein Mittel zur Gegenwehr. Dieser bestimmte Blick
hatte nicht nur eine gehörige Portion Erotik in sich. Nein, es war vielmehr die
Mischung aus Ehrlichkeit, Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit und
Aufrichtigkeit, natürlich alles mit einer gewaltigen Portion Sex untermalt, die
sie machtlos dahinschmelzen ließ.
Wenn sie da an den Marc Stevens aus ihrer Jugend
zurückdachte. Immer war diese schreckliche Fönfrisur viel zu blond gefärbt
gewesen. Wie eingebildet, angeberisch und arrogant er ihr damals bei
Fernsehinterviews vorgekommen war. Und dann auch noch dieses außerordentliche
Schandmaul, was ständig irgendeine unqualifizierte Bemerkung scheinbar mühelos
hervorgebracht hatte. Zu keiner Zeit hätte sie auch nur vage in Betracht
gezogen, seinen Starschnitt aus der Jugendzeitschrift zu sammeln, und sich
diesen Protz-Fatzke auch noch in Lebensgröße an die Wand zu hängen. Jetzt war
sie mit diesem warmherzigen und sanftmütigen Menschen verheiratet und hatte ihn
jeden Tag in voller Lebensgröße, aus Fleisch und Blut an ihrer Seite.
Er hatte sie offenbar entdeckt und bemerkt, wie intensiv sie
ihn gerade ansah. Wie schmachtend er sie wieder einmal anschaute! Heute Nacht
würde sie ihn vernaschen, mit Haut und Haaren, nahm sie sich vor. Marc schickte
ihr ein spitzbübisches Lächeln herüber. Ob er wohl wieder ihre Gedanken gelesen
hatte? Nach diesem Tanz würde sie erst einmal eine Pause machen und ihn so
richtig knuddeln, nahm sie sich vor und wandte sich wieder ihrem Tanzpartner
zu.
Plötzlich ging ein ohrenbetäubender Knall durch den Raum,...
und noch einer ... und noch einer.
Christina war starr vor Schreck und verharrte bewegungslos
mitten auf der Tanzfläche. Ein eigenartiges Zischen jagte an ihr vorbei, und
nochmals und nochmals. Was war das? Sie erkannte, wie sich im nächsten
Augenblick auch schon mehrere Hochzeitsgäste in einem heillosen Durcheinander
auf eine Frau stürzten, die wie vom Donner gerührt inmitten der Leute an der
Tanzfläche stand. Es ging alles so schnell, und doch spielte sich in Christina
diese Szene in Zeitlupentempo
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