Ein Macho auf Abwegen
Arm und führte sie wieder zu den anderen. „Mamá, das ist kein
Spaß und auch keine Verstecke Kamera. Marc liegt im OP und wird operiert. Das
ist leider die Wahrheit.“
Sie setzten sich wieder zu den anderen. Alles war also wahr,
bitterer Ernst.
Christina wusste gar nicht, wie viele Stunden sie schon
gewartet hatte, als die OP-Tür zum wiederholtesten Male aufging. Sie reagierte
schon gar nicht mehr auf das ewige Auf und Zu, als sie von zwei Männern in
weißen Kitteln angesprochen wurde. „Frau Stevens?“
Sie sprang sofort von ihrem Stuhl. „Ja, das bin ich.“
„Mein Name ist Hartmann, und das ist mein Kollege Professor
Spengler. Wir haben ihren Mann operiert.“
„Und? Wie geht es ihm?“, fragte sie. „Er ist inzwischen
außer Lebensgefahr. Die inneren Verletzungen haben wir gut in den Griff
bekommen. Es gab allerdings eine Komplikation.“
„Was für eine Komplikation? Was ist mit ihm?“
„Eine Kugel steckte in seiner Wirbelsäule fest, deshalb habe
ich auch Professor Spengler hinzugezogen. Wir haben sie entfernen können, aber
...“
„Aber was?, fragte Christina ungeduldig. Nun sprach der
andere Arzt mit ihr. „Wir können leider noch nicht sagen, ob ihr Mann bleibende
Schäden davontragen wird. Das werden uns die nächsten Tage erst verraten.“
„Ist Marc gelähmt?“
„Es kann durchaus möglich sein, dass er von der Hüfte
abwärts gelähmt sein wird. Machen Sie sich aber jetzt noch keine allzu große
Sorgen. Wenn es so ist, muss es nicht für immer sein.“ Christina interessierte
nur noch eines: „Kann ich zu ihm?“
„Ja, natürlich. Sie können bleiben, solange Sie möchten. Er
wird in der nächsten Stunde aus der Narkose aufwachen. Aber bitte erzählen Sie
ihm noch nichts von einer eventuellen Lähmung. Wir wollen ihn nicht zu früh
damit belasten, außerdem können wir frühestens morgen einige Untersuchungen
durchführen, die für eine eindeutige Diagnose absolut notwendig sind“, bat sie
Professor Spengler. „Ich werde nichts sagen. Vielen Dank für alles, Herr
Professor.“
- 26 -
Er lag still in seinem Krankenbett. Christina ging zu ihm
und kontrollierte zunächst einmal seine Atmung. Ja, die schien wieder ganz in
Ordnung sein. Er atmete in tiefen Zügen und regelmäßigen Intervallen aus und
ein. Sein Gesicht war befremdend blass, seine Haut wirkte beinahe schon grau.
Das musste der Blutverlust verursacht haben, wertete sie seinen äußerlichen
Zustand. Aus der Kanüle in seinem linken Arm führte ein Schlauch hinauf zu drei
verschiedenen Infusionsflaschen. Christina war zuversichtlich. Alles war so wie
bei jedem anderen frisch operierten Patienten. Sie konnte auch keine piepsenden
Apparate entdecken, welche seinen Puls und Herzschlag oder andere
Körperfunktionen überprüften. Es war wohl wirklich so, wie die Ärzte es ihr
erklärt hatten. Die Operation war gut verlaufen, und es schien in der Tat keine
Komplikationen zu geben. Er sah, bis auf die Blässe, wie immer aus, wenn er
tief und fest schlief. Sie zog sich einen Stuhl heran, setzte sich zu ihm,
streichelte über sein Haar und küsste ihn sanft auf die Lippen.
Die ganze Situation kam ihr irgendwie skurril vor. Genauso
hatte Marc vor einiger Zeit noch an ihrem Krankenbett gesessen. Genau wie er es
damals auch nicht getan hatte, wollte sie keinen Millimeter von seiner Seite
weichen. Er hatte sie zu jener Zeit ebenfalls nicht alleine gelassen, obgleich
sie nichts anderes als seine Assistentin gewesen war.
Als sie ihn so da liegen sah, stiegen sämtliche Erinnerungen
an ihre gemeinsame Zeit wieder in ihr auf. Alles lief wie ein Film in ihrem
Kopf ab.
Sie sah die erste Begegnung mit ihm in Tinas Büro und ihren
erster Arbeitstag als seine Sekretärin wieder ganz klar vor sich „Hallo,
Christina, ich bin Marc!“ – „Klasen, mein Name ist Klasen, Herr Stevens!“ Meine
Güte, was muss er wohl über mich gemeint haben?, dachte sie kopfschüttelnd.
Dann die Betriebsfeier, als er sie zum ersten Mal so recht angesehen hatte,
wodurch sie das erste Mal so richtig wahrgenommen hatte, dass sie mehr für
diesen Mann fühlte als eine Sekretärin eigentlich für ihren Chef empfinden
sollte. „Würden Sie mit mir tanzen, Frau Klasen?“ – „Nein, vielen Dank, Herr
Stevens, ich tanze nicht!“ Was würde sie, hier und heute, sofort und auf der
Stelle, darum geben noch einmal mit ihm tanzen zu dürfen. Würden sie das
überhaupt jemals wieder tun können?
Barcelona! Was waren das doch für schöne
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