Ein Macho auf Abwegen
begleitete den Bewusstlosen bis zur Tür des OP-Bereiches.
Der Zutritt war nur für Ärzte, Pflegepersonal und Patienten gestattet, und sie
musste ihn gezwungenermaßen alleine lassen. Sie wimmerte und bibberte, und eine
Krankenschwester legte tröstend einen Arm um sie. „Kommen Sie, Frau Stevens,
setzten Sie sich! Sie sind ja vollkommen verwirrt.“ Sie gab ihr eine Tablette
und ein Glas Wasser. „Nehmen Sie das bitte. Das ist etwas zur Beruhigung.“ Wie
in Trance tat Christina, was die Schwester ihr gesagt hatte. „Ihr Mann ist in
den besten Händen hier. Professor Hartmann kümmert sich persönlich um ihn“,
versuchte sie Christina zu beruhigen, die langsam die Wirkung des Mittels
spürte. „Wird er sterben?“, fragte sie flüsternd. Die Krankenschwester
streichelte über ihren Arm. „Ganz bestimmt nicht! Wir müssen ihm die Daumen drücken!“
Christina schluchzte leise vor sich hin. „Ein Leben lang,
hat er mir heute Mittag versprochen. Wir haben nämlich erst vor ein paar
Stunden geheiratet, wissen Sie?“
„Ja, das weiß ich, Frau Stevens. Ich habe es mir sogar schon
im Fernsehen angeschaut.“
„Sollten das wirklich nur diese paar Stunden gewesen sein?
Das kann er doch nicht machen! Ich brauche ihn doch so sehr! Können Sie das
verstehen?“ Die Krankenschwester drückte sie fest an sich. „Ja, natürlich! Das
kann ich sehr gut verstehen, Frau Stevens.“
„Wie geht es ihm, Mamá?“ Manuel war mit seiner Schwester und
Gaby und Dirk Althoff gekommen. „Er wird operiert. Mehr weiß ich auch nicht“,
erklärte Christina.
Sie hatten ihr etwas anderes zum Anziehen mitgebracht. Die
Frauen nahmen sie mit auf die Damentoilette und zogen ihr das blutverschmierte
Brautkleid aus. Sie ließ sich vollkommen apathisch von ihnen Jeans, Pulli,
Socken und Schuhe anziehen. „Jetzt frierst du wenigstens nicht mehr“, sagte
Isabel tröstend.
Die Operation dauerte eine Ewigkeit. Jedes Mal, wenn jemand
durch die Tür des Operationssaales kam, hielten sie den Atem an. Doch niemand
kam auf sie zu und sprach mit ihnen. Je länger es dauerte, umso mehr stieg in
Christina wieder die Verzweiflung an. Sie war zur Tatenlosigkeit verurteilt, und
konnte nichts für Marc tun. Das und die absolute Hilflosigkeit, die sie
verspürte, ließ sie immer unruhiger werden. Warum sagte man ihr nichts? Stand
es vielleicht sehr schlecht um ihn? Sie schaute sich suchend nach der
Krankenschwester um, die ihr vorhin die Tabletten gegeben hatte. Sie fand sie
im Schwesternzimmer und bat sie, sich im OP nach Marcs Zustand zu erkundigen.
„Ich versuche etwas herauszufinden.“ Die Schwester kehrte ziemlich schnell
wieder zurück. „Frau Stevens, die Operation ist immer noch nicht zu Ende.
Alles, was ich Ihnen sagen kann, ist, dass er innere Verletzungen hat. Es sind
aber keine lebenswichtige Organe betroffen. Professor Hartmann hat noch einen
Kollegen hinzugezogen. Es wird noch ein bisschen dauern!“
Das Warten nahm kein Ende. Niemand sprach einen Ton. Jeder
war in seine eigenen Gedanken versunken.
Das konnte doch nur ein böser Traum sein. Heute war
schließlich ihr schönster Tag im Leben. So ein Tag endete doch nicht in einem
Krankenhaus!
Ihr wurde es ganz schwummerig vor den Augen, ihr Kopf
dröhnte zum Zerbersten. Das war doch alles derart unwirklich! Es begann sich
alles um sie herum zu drehen und vor ihren Augen wegzuschwimmen.
Eine Möglichkeit gab es jedenfalls noch: Vielleicht war das
Ganze ja alles nur ein Gag der Sendung „Versteckte Kamera“. – Ja, natürlich!
Das war die Lösung! Sie war dahintergekommen! – Ha! – Gleich würde ein
fröhlicher Moderator aufkreuzen und sie strahlend fragen: „Verstehen Sie Spaß,
Frau Stevens?“
Sie musterte den Krankenhausflur. Gab es hier irgendwelche
verdächtigen Personen, oder gar Hinweise auf verborgene Kameras? Sie stand auf
und sah hinter dem riesigen Fikus in der Ecke nach. – Kein Mensch zu sehen. Sie
kontrollierte die Wände und Decken. War da irgendwo eine kleines Objektiv? –
Nein, nichts. Keine Scheiß-Kamera. Kein beschissen fröhlicher Moderator. Rein
gar nichts!
Manuel kam hinter ihr her. „Was ist los? Geht es dir nicht
gut?“
„Ich suche nur etwas, Manuel“, antwortete sie mit fester
Stimme. „Und was suchst du?“ Manuel fiel der verwirrte Zustand seiner Mutter
auf. „Na, eine Kamera! Kennst du doch! Versteckte Kamera. Aus dem Fernsehen,
Manuel! Irgendwann muss doch einer kommen und die ganze Sache auflösen.“ Manuel
nahm sie in den
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