Ein Macho auf Abwegen
und allen möglichen Leuten Bescheid geben, dass
ich wieder voll im Einsatz bin.“
Christina ließ sich beträchtlich geschafft auf das Sofa
fallen. Sie konnte seine Euphorie nicht teilen. Dieser Tag hatte sie fix und
fertig gemacht. Ich verstehe nicht, wie er das alles so schnell wegstecken kann,
dachte sie. Oder log er sich selber etwas in die Tasche? Wollte er ihr
vielleicht etwas beweisen? Wollte er sie beruhigen? Wollte er sich beruhigen?
Was wollte er? Christina fand keine Antworten auf all ihre Fragen. Sie hörte
ihn nur sagen: „Wenn mein Zustand sich irgendwann verbessert, okay. Wenn nicht,
gut is’!“
Sie ging hinauf, denn sie musste sich noch um ihren Umzug in
Marcs Zimmer kümmern. Er hatte sie auf der Heimfahrt gebeten, zu ihm ins
Gästezimmer zu ziehen.
An den folgenden Tagen verbrachten sie kaum Zeit
miteinander. Marc hatte im Studio sehr viel zu tun, denn viele Künstler hatten
sich sofort bei ihm gemeldet, um sich wieder von ihm produzieren zu lassen. Der
Alltag kehrte allmählich in die Villa Stevens zurück. Schließlich musste sich
Christina damit abfinden, dass Marc die richtige Entscheidung für alle
Beteiligten getroffen hatte. Viel fehlte in ihrem Leben wirklich nicht. Es gab
sogar wieder diese Momente, wo sie gemeinsam herumalberten und sich vor Lachen
ausschütteten. Auf Marcs Initiative hin, begannen sie allmählich wieder damit
auszugehen oder sich Freunde nach Hause einzuladen.
Marc fieberte dem Zusammentreffen mit Sylvia Hofmüller
entgegen. Er erhoffte sich, ganz im Gegenteil zu Christina, sehr viel von
diesem Gespräch. Man hatte ihn mit der Diagnose „Psychogener Schock“ aus dem
Krankenhaus entlassen. Ihm war bewusst, dass er körperlich vollständig in
Ordnung war. Sylvia hatte ihm dieses Trauma zugefügt, und Marc hoffte, diese
Frau könnte ihn deshalb auch daraus befreien. Er sah das Zusammentreffen mit
ihr als seine einzige und letzte Gelegenheit auf Genesung an.
Endlich kam der erlösende Anruf. Dirk Althoff hatte es eine
gewisse Überzeugungskraft gekostet, Sylvia Hofmüller davon zu überzeugen, dass
dieses Treffen auch für sie nur positiv sein würde. Ganz abgesehen von ihrem
psychischen Zustand, würde sich dieser Täter-Opfer-Ausgleich ebenso vorteilhaft
auf ihr Strafmaß auswirken.
„Was ziert die sich denn so? Das ist doch das, was sie
erreichen wollte! Und jetzt muss sie sich zu so einem Treffen überreden lassen?
Die tickt doch nicht sauber!“ Christina konnte und wollte das alles nicht
verstehen. Warum sollte das Opfer der Täterin auch noch helfen? Ihr ging es
ganz gewaltig gegen den Strich, dass Marc diese Sylvia so eine wichtige Rolle
in seinem Leben spielen ließ. „Sie bekommt eine mildere Strafe, wenn sie sich
mit dir unterhält?!“, rief sie fassungslos. „Sie erbringt dem Gericht dadurch
den Beweis, dass sie sich ihrer Tat stellt, ihr Vorgehen bereut und sich mit
ihrem Opfer auseinandersetzt“, erklärte Marc ihr durch und durch gelassen.
„Einsicht ist der erste Weg zur Besserung! So wertet es auch die Justiz.“
Nun war Sylvias Tag der Tage gekommen. Heute würde sie
Besuch von ihrem „Dreamlover“ bekommen, und das auch noch auf seinen ausdrücklichen
Wunsch.
Christina war die ganze Nacht sehr unruhig gewesen. Wie
konnte Marc nur so gelassen bleiben und tief und fest schlafen, wo er doch
heute auf seine Attentäterin treffen würde?
Kaum, dass sie aufgestanden war, drehte sich ihr Magen auch
schon zur morgendlichen Begrüßung einmal um sich selbst, und sie musste sich
mal wieder über die Kloschüssel hängen. Wann hört das bloß auf?, fragte sie
sich selber. Ich muss doch mal zur Ruhe kommen! Wenn das so weiter geht, muss
ich zu einem Psychiater. Sie betrachtete sich im Spiegel. Sie hatte in der
letzten Zeit beträchtlich an Gewicht verloren. Ihre Wangen schienen
eingefallen, und sie hatte ziemlich dunkle Ränder unter den Augen. So konnte
das doch nicht weitergehen! Sie stützte sich auf das Waschbecken und schrie ihr
Spiegelbild an: „Und gut is’, Christina!“
Die beiden näherten sich dem Frauengefängnis von Hamburg.
Sie hatten die ganze Fahrt fast wortlos hinter sich gebracht. Jeder für sich
war in seine eigenen Gedanken versunken. Christina bog in die Straße ein, und
die hohen Außenmauern des Gefängnisgeländes waren schon von Weitem zu erkennen.
Auf den Mauern gab es Stacheldrahtzäune. An jeder Ecke des Areals befanden sich
hohe Überwachungstürme. Überall gleich!, dachte sie.
Je näher sie
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