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Ein Macho auf Abwegen

Ein Macho auf Abwegen

Titel: Ein Macho auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hitzblech
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ausdruckslose Gesichter. Sie entdeckte jedoch auch ein paar
Frauen, welche sich im Hintergrund hielten und Marc zutiefst mitfühlend
anschauten. Sie empfand plötzlich so etwas wie Solidarität mit den
Gefängnisbewohnerrinnen. Das Eintreffen des großen Superstars war für die
Insassinnen eine Riesen-Sensation in ihrem tristen Knastalltag „Marc, ich habe
Autogrammkarten im Wagen. Gib ihnen doch welche! Du würdest ihnen eine
wirkliche Freude damit machen.“
    „Wir haben einen Termin hier, Christina! Ich bin doch nicht
zur Autogrammstunde hergekommen.“
    „Bitte, Marc!“ Christina bekam zur Unterstützung einen
großen Applaus von den Frauen. „Ja! Bitte, Marc!“, riefen sie wie im Chor. Marc
schmunzelte. „Okay! Aber nur, weil ihr es seid!“ Er schrieb geduldig
Autogramme, bis auch die Allerletzte Eines in den Händen hatte. Die Frauen
waren fasziniert von ihm. Marc hatte seinen Zauber, mit dem er auf das
weibliche Geschlecht wirkte, nicht verloren.
    „Wo ist eigentlich  Sylvia?“, rief eine der Insassinnen.
„Die soll sich mal ansehen, was sie mit dem Mann gemacht hat!“ Die Stimmung
schlug von einer Sekunde auf die andere in das komplette Gegenteil um. Eine
andere schrie: „Eine Scheißwut kriege ich auf die! Wenn ich die in die Finger
kriege! Die kann sich auf ’was gefasst machen!“ Die anderen Frauen stimmten mit
ein. Die Feindseligkeit der Gefangenen konnte man direkt riechen. Na, die lebt
in Zukunft aber gefährlich!, dachte Christina. Marc hatte augenscheinlich die
gleiche Vermutung. „Hey, Mädels!“, sagte er ganz locker, „Ich bin heute hier,
um mit ihr zu reden. Ich komme schon klar, okay? Sie wird ihre Strafe bekommen
für das, was sie getan hat! –  Genau, wie ihr alle.“
    Die Frauen senkten teilweise beschämt ihre Köpfe, und Marc
sagte streng wie ein Oberlehrer: „Niemand von euch wird Sylvia ein Haar
krümmen! Habt ihr das verstanden?“ Einige der Gefangenen nickten. „Is’ klar,
Marc!“ Die Mehrzahl dagegen murmelte unverständliche Kommentare vor sich hin
oder zeigte ihm ganz unmissverständlich den ausgestreckten Mittelfinger. Es war
eindeutig, dass er hier weder etwas zu melden noch sich in die Angelegenheiten
der Gefängnisbewohnerrinnen einzumischen hatte. 
    Bei Marc war diese Botschaft angekommen, und er setzte sich
wieder in Richtung Hauptgebäude in Bewegung. Christina bezweifelte stark, dass
Sylvia den heutigen Tag unversehrt überstehen würde. Sie wusste nur zu genau,
wie abgestumpft und verroht diese Frauen sein konnten, und dass man hier auf
gutes Benehmen nicht allzu großen Wert legte.
     
    Sie mussten eine Sicherheitskontrolle passieren, wo zunächst
Christinas Handtasche durchleuchtet wurde, und sie anschließend durch einen
Metalldetektor wie am Flughafen gehen musste. Er gab, Gott sei Dank, keinen
Laut von sich. Marc wurde von Hand nach Waffen und anderen verbotenen
Gegenständen durchsucht. Anschließend führte ein Vollzugsbeamter sie in den
Besucherraum.
    Dort wurden sie bereits vom Gefängnispsychologen Sven Erbach
und Sylvia Hofmüller erwartet. Sylvia saß am Besuchertisch und senkte verlegen
den Blick, als Marc im Rollstuhl durch die Tür kam. Er grüßte leise und rollte
an das andere Ende des Tisches. Opfer und Täterin saßen sich genau gegenüber.
Christina nahm neben ihrem Mann Platz, und der Psychologe zog sich einen Stuhl
an das Kopfende. Niemand sagte etwas. Die Situation war für alle Beteiligten
recht unwirklich. Sylvia hatte leise zu schluchzen begonnen, aber dann
offensichtlich all ihren Mut zusammengenommen und schaute auf. Sie blickte
zunächst Marc und dann Christina hilflos an.
    Sylvia Hofmüller war eine bildhübsche und äußerst attraktive
Blondine. Das sah man ihr, obwohl sie ungeschminkt und schlecht frisiert war,
sofort an. Die hätte jeden Mann haben können, dachte Christina. Warum gerade
meinen?
    Sylvia liefen die Tränen unaufhörlich. Bislang hatte immer
noch niemand ein Wort gesagt, bis Marc das Schweigen brach. Er kramte ein
Päckchen Papiertaschentücher aus seiner Jackentasche und reichte es Sylvia über
den Tisch. „Hier, bitte schön.“ Sie nahm es. „Vielen Dank“, flüsterte sie und
machte sich ihr Gesicht sauber. Christina war hin- und hergerissen zwischen
ihrer unbändigen Wut auf diese Frau und einer große Betroffenheit beim Anblick
dieses Häufchen Elends.
    „Warum?“, fragte Marc kaum hörbar. Sylvias Gesichtsausdruck
wechselte von großer Verlegenheit in heftige Entrüstung. „Warum?! – Weil

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