Ein Macho auf Abwegen
du
mich verlassen wolltest!“, rief sie gereizt. Ihr erschien seine Frage
offensichtlich absolut überflüssig. Marc blieb ganz ruhig. „Wir waren nie
zusammen. Wie kommen Sie darauf, dass ich Sie verlassen könnte?“ Sylvia
schüttelte ungläubig ihren Kopf. „Ich weiß genau, dass wir zwei, du und ich,
für einander bestimmt sind!“
„Es tut mir leid für Sie, wenn Sie für mich etwas empfinden,
was ich nicht erwidern kann.“ Marc störte sich nicht daran, dass Sylvia ihn
duzte. Er blieb dabei sie zu siezen, um die Distanz zwischen ihnen zu wahren.
Sylvia begann wieder zu weinen. „Marc, ich liebe dich seitdem ich ein Teenager
war!“
„Hören Sie, Frau Hofmüller. Das ist doch absurd. Sie können
mich nicht lieben! Sie kennen mich doch gar nicht.“ Sylvia blickte auf und
schaute ihn empört an, so als ob sie gerade die größte Lüge ihres Lebens
vernommen hätte. „Natürlich kennen wir uns! Seit Jahren stehe ich bei deinen
Konzerten in der ersten Reihe. Ich habe dir immer etwas geschenkt, du hast mir
die Hand gegeben, mich jedes Mal angelächelt und mir in die Augen geschaut.“
Sie bekam auf einmal einen ganz verträumten Blick. „Und beim ersten Mal hat der
Blitz bei mir eingeschlagen, aber wie! Da wusste ich: Da steht der Mann deines
Lebens vor dir, und eines Tages wird das Schicksal uns zusammenbringen!“
Ja, da hast du Recht behalten, dachte Christina verbittert.
Nur hast du selber dem Schicksal ein bisschen nachgeholfen. Marc und seine
Augen. Was die alles anrichten konnten! Sie selber hatte ja erfahren, welche
Wirkung sie hatten. Dieser Mann brauchte nur jemanden zu grüßen oder im
Supermarkt zweihundert Gramm Salami zu bestellen, ganz normal eben, und man
hatte Schmetterlinge im Bauch. Wenn die wüsste, wie der schaut, wenn er schauen
will!, dachte Christina innerlich.
„Ich nehme von jedem Fan alles an, was mir geschenkt wird.
Und selbstverständlich bedanke ich mich dafür. Aber das heißt noch lange nicht,
dass ich mich in diese Frauen vergucke. Ich habe Sie noch nie gesehen!“
Weder der Psychologe noch Christina mischten sich in den
Wortwechsel ein. Marc übernahm, wie sollte es auch anders sein, die
Gesprächsführung.
„Erzählen Sie etwas über sich, Frau Hofmüller“, forderte er
Sylvia auf. Die riss die Augen weit auf. „Was soll ich dir denn noch erzählen?
Du weißt doch alles von mir. Ich habe dir alles geschrieben. Mein ganzes
Leben!“
Marc sah sie ernst an. „Ich habe nicht einen einzigen Brief
gelesen. Dafür habe ich meine Leute. Oder haben Sie jemals eine Antwort von mir
bekommen?“ Sie verneinte schweigend. „Sie sind doch verheiratet?“, fragte Marc
weiter. „Ja, seit fünfzehn Jahren, und ich habe drei Kinder.“ Sie hielt einen
Moment inne, und ihre Augen verwandelten sich zu schmalen Ritzen. „Na gut! Dann
erzähle ich dir diese ganze verfluchte Scheiße eben noch einmal! – Wir leben
auf einem Bauernhof. Ich kenne meinen Mann schon seit der Schulzeit. Ich weiß
gar nicht, warum ich ihn geheiratet habe. Es war einfach so. Dann kamen die
Kinder. Alle zwei Jahre stellte sich Nachwuchs ein. Mein Mann wollte noch mehr
Babys, doch ich hatte genug mit den Dreien. Meine einzige Abwechslung in dieser
elenden Einöde war deine Musik und die Konzerte. Mein Leben kotzte mich einfach
nur an! Ich ließ meine Unzufriedenheit an meiner Familie aus, vor allen Dingen
an meinem Mann. Er ging jeden Abend in die Dorfkneipe und ließ sich volllaufen.
Dann fing er an mich zu schlagen. Ich dachte immer nur: Bald hast du es hinter
dir, Sylvia! Er wird kommen und dich hier herausholen! Ich setzte alle Hoffnung
auf die Konzerte. Er wird dich anschauen, und es wird genauso „Pling“ bei ihm
machen wie bei mir! Er wird schon merken, wer da vor ihm steht. Und dann wird
er dich nicht mehr gehen lassen. – Aber nichts! Jahr für Jahr fuhr ich wieder
nach Hause. Immer und immer wieder musste ich nach Hause zurück! Ich habe
gebetet: Lieber Gott! Tu doch endlich etwas! Gib ihm ein Zeichen!“ Jetzt
grinste sie Marc anzüglich an. „Dabei hatte ich durchaus Chancen bei den
Männern. Ich bin unheimlich oft angesprochen und eingeladen worden. Es waren
wirklich ein paar ganz nette und attraktive Typen dabei. Aber ich habe sie immer
alle mit dir verglichen. Ich konnte mich nicht dagegen wehren. Keiner konnte
dir das Wasser reichen! Es gab keine Alternative! Ich wollte dich oder Keinen!
Ich wollte den Mann, der es wert war meine Familie zu verlassen.“
Sylvia schickte Christina
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