Ein Macho auf Abwegen
flüchtig auf ihr Haar. „Hilfst du mir,
Prinzessin?“ Christina merkte, wie sie schon wieder feuchte Augen bekam und
flüsterte nur. „Ja, natürlich.“
„Du darfst mich nur nicht mehr so bemuttern, verstehst du?
Ich muss die ganz alltäglichen Dinge alleine hinkriegen. – Und du musst meine
Behinderung genauso akzeptieren wie ich. Wir müssen das einfach auf uns
zukommen lassen. Wenn mein Zustand sich irgendwann verbessert, okay. Wenn
nicht,... gut is’!“
Seine Stimme brach bei diesen letzten Worten, und Christina
umarmte ihn so fest sie konnte. „Halt mich, Prinzessin! Ich brauche dich!“ Sie
schaute ihn mit ebenfalls feuchten Augen an und strich ihm zärtlich über das
Haar. „Ich helfe dir, cariño! Du bist nicht alleine.“
Sie blieben wortlos liegen, bis Marc das Schweigen brach.
„Die Ärzte sagen, dass es mir helfen könnte, wenn ich mich mit dieser Frau
auseinandersetze. Ich glaube, ich werde das machen. Ich werde mit ihr reden.“
„Mit welcher Frau?“
„Mit dieser Sylvia. Es gibt da so eine Sache, die heißt Täter-Opfer-Ausgleich.
Das ist eigentlich dafür gedacht, dass ein Verbrecher sich den Folgen seiner
Tat stellt. Dadurch soll solchen Menschen ihr Fehlverhalten bewusst gemacht
werden. Das soll bei der Resozialisierung sehr von Vorteil sein. Viele Täter lernen
ihre Opfer niemals kennen und können sich gar nicht vorstellen, welches Leid
sie anderen Menschen und ihren Angehörigen angetan haben. Erst, wenn jemand
wirklich begriffen hat, was er angerichtet hat, wird er sich auch gefahrlos und
erfolgreich wieder in die Gesellschaft eingliedern können. In meinem Fall
könnte es umgekehrt jedenfalls auch hilfreich sein, hat man mir jedenfalls
gesagt.“
Wie von der Tarantel gestochen fuhr Christina hoch. Sie
blitzte ihn blindwütig an. „Was willst du? Ich hör’ wohl nicht richtig! Du
willst dieses Miststück treffen? – Na, dann hat sie ja erreicht, was sie
wollte. Ein Rendezvous mit ihrem Star, mit ihrem Dreamlover! – Da muss man
einfach nur dahergehen und den Mann, in den man sich verguckt hat, abknallen,
und dann bekommt man zur Belohnung auch noch ein Date? Das kann doch nicht dein
Ernst sein, Marc!“
„Hör zu! Ich muss ganz einfach wissen, warum sie das getan
hat. Sie muss mir in die Augen sehen und es mir erklären. Außerdem kriegt sie
dann mal live und in Farbe mit, was sie zerstört hat. Aus der Ferne begreift
sie vielleicht gar nicht, wie sehr sie unser Leben ruiniert hat. Sie muss sich
ihrer Tat stellen, und ich möchte, dass du mich dorthin begleitest. Du bist
schließlich auch ein Opfer. Deine Träume und Wünsche hat sie genauso
kaputtgemacht.“
„Na, diese Hexe, kann sich auf ’was gefasst machen, das sag’
ich dir! Die nehme ich mir vor! Die kann sich jetzt schon mal warm anziehen!“
„Und es wird dir helfen, wenn du es ihr so richtig gegeben
hast. Das ist der Sinn der ganzen Sache.“
„Kann sein. Wenn du meinst, gehen wir dahin. Wir wollen
keine Möglichkeit außer Acht lassen“, antwortete Christina.
Es war doch unglaublich! Marc hatte nach ein paar Stunden
auf heimischem Terrain, ohne Krankenhaus, seine Entscheidung getroffen. Er war
nicht mehr hilflos und stellte sich dem Leben. Er hatte abermals alles im Griff
und bot ihr sogar schon wieder seine Schulter zum Anlehnen an. Dabei sollte es
doch jetzt umgekehrt sein. Er sollte sich fallen lassen und auf sie stützen.
Marc Stevens war ein ganz großer, ein so wertvoller Mensch. Ein paar sind immer
über den Wolken, dachte sie. Und Marc war so einer. Gab es ein Problem, suchte
er sofort nach einer Lösung und fand sie dann auch. Genauso hatte er es damals
mit ihrem Fall gemacht. Problem? – Zack! – Lösung! Er war nach Marbella
gefahren und hatte für alles gesorgt. Für Marc musste es allezeit, gleichgültig
wie, weitergehen. Marc war ein Stehaufmännchen. Er war auf Erfolg und Sieg
programmiert. Aufgeben? – Niemals!, war sein Lebensmotto.
Sie seufzte vor Glücksgefühl einmal kurz auf. Die Rollen
waren wieder ganz klar verteilt. Marc, der Starke und Christina, die ihn
bewunderte und verehrte und Halt bei ihm gefunden hatte.
Christina atmete tief und gleichmäßig. Sie war fest
eingeschlafen. Marc hielt sie immer noch fest im Arm. Eine tiefe innere Ruhe
und Zufriedenheit überkam ihn.
- 30 -
Christina, Marc und Mia saßen beim Frühstück. „Na, Marc, wie
wa denn Ihnen Ihre erste Nacht zu Hause? Ham Se wenigstens wat
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