Ein Macho auf Abwegen
angesteckt? Bist du auch schon auf diesen rompecorazones
hereingefallen?
Im nächsten Moment schaute er herüber und lachte sie
charmant an. Sie antwortete mit einem eher gequälten Lächeln und versuchte sich
wieder auf ihre Freundinnen zu konzentrieren. Ihr gelang es jedoch überhaupt
nicht mehr, sich am Tischgespräch zu beteiligen. Wie unter Zwang sah sie immer
wieder zum Nachbartisch hinüber.
Stevens blieb das natürlich nicht verborgen. Genau wie jede
hübsche Frau, brauchte er nicht direkt zu sehen, dass er beobachtet wurde. Er
fühlte es, selbst wenn ihn jemand von hinten anstarrte. Er wunderte sich in
diesem Fall doch schon sehr, dass es gerade seine neue, herbe Assistentin war,
die er jetzt zum x-ten Mal beim Stielaugen machen ertappte. Immer, wenn er sie
erwischt hatte, senkte Christina schnell den Kopf und blickte verlegen auf
ihren Teller.
Irgendwann musste sie ihren Kopf aber auch einmal wieder
heben und geradeaus gucken. Aber welcher Anblick bot sich ihr dann? Stevens,
der seine Augen überhaupt nicht mehr von ihr ließ. Er machte gar nichts anderes
mehr, als ihr mit diesen beiden himmlischen, lebendigen, tiefblauen, kleinen
Seen, mit ihren freundlichen Lachfältchen an den Ufern, direkt in die Augen zu
sehen. Es prickelte und kribbelte unerhört in ihrem Bauch. So etwas hatte sie
seit Jahren nicht mehr gespürt. Sie redete sich eindringlich ins Gewissen:
Reiß’ dich mal ein bisschen zusammen! Es ist nur dein Chef, der dich da
anglotzt! Der Playboy, der Don Juan, der Ladykiller und
Der-auf-keinen-Fall-Frauenversteher!
Gaby war immer noch der Meinung, seine Blicke galten ihr.
„Der schaut dauernd zu mir rüber, Christina. Hoffentlich ist dieses Essen bald
vorbei! Vielleicht tanzt er ja mal mit mir?“
Christina wünschte sich auch nichts sehnlicher, als dass
endlich das Dessert serviert würde. Dann könnte sie wenigstens aufstehen und in
eine andere Richtung sehen. Sie schaute abermals von ihrem Teller hinauf. – Er
schaute! – Kopf wieder abwärts. Sie benahm sich wie ein unreifes Früchtchen.
Kopf wieder hoch. – Er schaute! Kopf hinab. Auf und nieder, immer wieder!
Das ist doch absurd, Christina! Schwachsinn! Wahnsinn!
Geistige Lähmung! Absolute Verblödung! Er ist ein Mann! Nichts anderes als ein
männliches Wesen! Das durfte und wollte sie nicht zulassen. Sie verordnete sich
die entgegengesetzte Strategie. Augenblicklich nahm sie den Kopf wieder hoch
und fixierte ihn mit dem erbarmungslosesten Blick, den sie zu bieten hatte,
geradeheraus in seine Augen und dachte: Wenn du Sprücheklopfer meinst, du
könntest mir imponieren, dann hast du dich aber gewaltig geschnitten, Blödmann!
Geh’ nach Hause, ’ne Runde deine Moni Mölzner flachlegen!
Er lächelte augenblicklich nicht mehr, hielt ihrem Blick
jedoch stand. Mein Gott!, dachte Marc schaudernd, wenn Blicke töten könnten,
würde ich jetzt leblos vom Stuhl kippen. Was für ein Wandel! Die Klasen hatte
doch zweifellos damit angefangen, ihn anzupeilen. Und auf welche Weise sie das
getan hatte! Da war keine gewohnte Hartherzigkeit in ihrem Blick gewesen. Da
war blitzartig noch etwas anderes zu erkennen gewesen. Zum ersten Mal hatte er
milde Wärme und Emotion in diesem Blick entdeckt. Diese phantastische
Veränderung war es, die ihn so faszinierte, die seine Augen magnetisch
angezogen hatten. Christina Klasen war soeben, wenn auch nur für ein paar
Minuten, die schönste Frau der Welt gewesen. Sie hatte ihrer Seele, aus ihrem
kleinen Gefängnis heraus, einen Blick in die große, weite Welt gestattet. Diese
Frau war also doch nicht gefühlskalt. – Diese Frau hatte ein Herz! Und jetzt?
Nun blitzte sie ihn bitterböser und teuflischer denn je an. Marc verstand die
Welt nicht mehr und hatte Christina nichts mehr entgegenzusetzen. Er schüttelte
verständnislos den Kopf. Aus der Madame soll mal einer schlau werden!, dachte
er und mischte sich wieder in die Unterhaltung an seinem Tisch ein.
Na also, geht doch! Blödmann!, lobte Christina sich
siegessicher.
Der förmliche Teil des Abends war nun endlich vorbei. Viele
verließen sofort ihre Tische, und die Abteilungen vermischten sich
untereinander. Der Alkohol floss in Strömen, und die ersten Pärchen drehten
ihre Runden auf dem Parkett. Auch die Schreibbüromädchen wurden immer wieder
zum Tanzen geholt. Eine war aber auch hübscher als die andere, und die Schönste
von allen war heute ganz eindeutig Gaby. Sie hätte an ihre zahlreichen Verehrer
Nummern verteilen können, um
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