Ein Macho auf Abwegen
ein
dezentes Make-up verpasst. Gaby trug lediglich einen schwarzen BH unter ihrem
Blazer. Ein Goldkollier auf ihrer bronzenen Haut machte ihr Erscheinungsbild
vollständig. Christina hatte sich ihr langes, dunkelbraunes Haar zu einer
wilden Lockenmähne geknetet. Die beiden Freundinnen betrachteten sich am Ende
in Gabys Schlafzimmerspiegel. Gaby war zu guter Letzt doch noch von ihrer
Aufmachung überzeugt. „Boh, wow, Christina! Wir sehen einfach voll geil aus!
Findest du nicht?“
„Ja, wirklich einwandfrei. Und wenn du jetzt noch dein
„voll“ und „geil“ und „cool“ wenigsten für diesen einen Abend vergessen
könntest, wärest du die perfekte Begleitung, selbst für den Verlagschef.“
Christina legte ihren Arm um Gabys Schulter. „Komm’ lass uns ‘runtergehen! Das
Taxi muss jeden Moment da sein.“
Der Verlag hatte für sein Betriebsfest den großen Ballsaal
des Luxushotels Hansen angemietet. Christina studierte den Festsaal mit
fachmännischem Blick. Das Ambiente war einfach überwältigend. Der enorme Saal
war absolut kunstvoll dekoriert. Es gab große, runde und professionell
eingedeckte Galatische für jeweils zehn Personen. Die Decke des Festsaales
bestand aus tausenden kleinen Glühbirnchen und brillierte wie ein nächtlicher,
wolkenloser Sternenhimmel. Es gab auch eine Tanzfläche, und auf der Bühne
spielte eine Band bereits leise Instrumentalmusik.
Es waren schon jede Menge Leute da, als die beiden
Schönheiten eintrafen. Gaby entdeckte sofort Anita Gerber mit den anderen
Beautys aus dem Schreibbüro. Ihre Kolleginnen hatten bereits einen der
ausladenden Galatische in Beschlag genommen. Anita winkte ihnen zu. „Hallo, ihr
zwei! Kommt zu uns! – Christina, ich bin einfach mal davon ausgegangen, dass du
an unserem Tisch sitzen möchtest.“
Christina hatte schon im Stillen befürchtet, den Abend am
Tisch ihres Chefs verbringen zu müssen. Sie konnte den Superstar jedoch weit
und breit nicht entdecken und wünschte sich, er solle dableiben, wo der Pfeffer
wächst. „Oh, ja, furchtbar gerne“, antwortete sie erleichtert.
Die Kolleginnen des communicationcentres waren unter sich.
Eine eingeschworene Damenriege, die sich durch und durch ihrer
Lieblingsbeschäftigung widmete. Jedes Subjekt, welches durch die große Saaltüre
hereinkam, wurde von ihnen kompetent unter die Lupe genommen und scharf
gemustert. Falls notwendig lästerten die Frauen, was das Zeug hielt über Kleidung,
Frisur und Make-up. „Oh nein! Guckt euch das mal an! So eine Farbe zu diesem
Haar! – Bei dem Hintern, hätte ich mich aber mal besser beraten lassen! – Ach
du Schande! Mit diesem Haar wäre die wohl besser ein Besen geworden!“
Viele Partygäste nahmen ihren Aperitif in Grüppchen
herumstehend ein. Gaby stöberte einen mehr oder weniger Prominenten nach dem
anderen auf. Kaum hatte sie einen entdeckt, johlte sie verzückt: „Seht doch
mal, wer da kommt! Habt ihr gesehen? Da hinten in der Ecke, der Typ, der sich
mit Henning unterhält ... Is’ ja wohl ein ganz Süßer, ne?“ Sie war vollends aus
dem Häuschen. Diese Tagesration an potentiellen Promis war für Gaby kaum zu
meistern.
Und dann trat das wohl Unvermeidbarste dieses Abends durch
die Tür. „Da kommt er! Ich werd’ verrückt! Da ist er! Marc Stevens!“, rief
Gaby viel zu schrill. „Und er ist alleine!“ Christina tätschelte ihr den
Rücken. „Hey, ganz ruhig! Tranquilita muchacha!“
Alle Tischnachbarinnen schauten zum Eingang, um den
eintreffenden Superstar zu beobachten. Nicht nur die Schreibbüromädchen
schauten, eigentlich starrte der ganze Saal auf Stevens. Er war tatsächlich
ohne Begleitung gekommen. Wo hatte er denn seine Moni Mölzner gelassen? War die
etwa nicht so ganz gesellschaftsfähig? Dieser Mann hatte irgendetwas
Außergewöhnliches an sich. Christina wusste nur nicht, was es genau war.
Stevens stand jetzt einfach nur so da, machte gar nichts, und sämtliche
Anwesende schauten ihm dabei zu.
„Mann o Mann! Der sieht ja voll cool aus!“ Gaby war kaum zu
bremsen. „Ist gut, ist ja schon gut, Gaby. Beruhige dich bitte!“ Christina
musste ihrer Freundin jedoch stillschweigend Recht geben. Stevens sah wirklich
phantastisch aus. Er trug heute Abend einen schwarzen Anzug mit feinen, hellen
Nadelstreifen, eine Hand steckte wie so oft lässig in der Hosentasche. Er hatte
sich sogar eine Krawatte umgebunden. Christina fand, dass er eigentlich auch in
Jeans oder seinen knallengen Lederhosen sehr gut aussah. Aber dieses
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