Ein Macho auf Abwegen
Ihnen wird der
Motor noch krepieren!“, kritisierte sie seinen Fahrstil. „Der braucht hohe
Umdrehungen, sonst wird er bald keine Leistung mehr zeigen.“
„Sie verstehen etwas von Autos?“, wunderte er sich. „Nein,
prinzipiell nicht. Aber ich kenne diesen Fahrzeugtyp. Ich hatte früher auch so
ein Modell. Von daher weiß ich, dass man mit so einem Sportwagen nicht so
‘rumjuckeln darf. Der Motor braucht einfach hohe Drehzahlen!“
„Okay, das leuchtet mir natürlich ein“, feixte er, schaltete
spontan einen Gang herunter und beschleunigte rasant. Sie rasten mit einem
Affenzahn über die linke Spur der Autobahn, und Marc fegte alles beiseite, was
ihn daran hinderte, das Auto auszufahren. Er schaute zur Seite, um ihre Reaktion
zu sehen und ihre Aktivitäten im Fußraum zu beobachten. Zu seinem Erstaunen
blieb sie vollkommen gelassen, ermahnte ihn nur ganz gefasst. „Da spielt die
Musik, Herr Stevens. Schauen Sie nach vorne!“
Als sie die Autobahn verließen, erkundigte er sich. „War die
Drehzahl jetzt bekömmlicher für das Triebwerk?“ Christina würdigte sein Tun mit
einem herzlichen Lächeln. „Das hat dem Kleinen sehr gut gefallen, Herr
Stevens!“
Marc war stolz auf sich. Er hatte sie heute erstmalig nach
Barcelona zum Lächeln gebracht, und sie war dabei wieder bildschön gewesen.
Sie fuhren nun über Land. Alles war saftig grün und so
flach, dass Christina sofort Lust auf eine ausgiebige Radtour bekam.
Fahrradfahren wäre hier, im Gegensatz zu ihrer alten Heimat im Rheinland oder
Bergischen Land, überhaupt nicht anstrengend. Hier war alles so eben, dass man
heute schon sehen konnte, wer morgen zu Besuch käme. Links und rechts der Landstraße,
gab es ab und zu ein Gehöft, umringt von Weideland für die Kühe, die genüsslich
das satte Gras in ihren Mäulern zermalmten oder ganz einfach nur faul auf den
Wiesen herumlagen. Es gab weitreichende Koppeln, wo Stuten ihre Fohlen säugten,
und andere Pferde sich innerhalb der Einzäunungen austoben konnten wie man es
sich im Wilden Westen vorstellte. Was für eine Lebensqualität!, dachte sie.
Kein Lärm, kaum Abgase, keine Industrie. Einfach nur Natur pur! Sie liebte
diese Landschaft auf Anhieb. Für Christina gab es nichts Schöneres, als sich
draußen im Freien an der frischen Luft aufzuhalten. Ganz besonders nach ihrer
Knastzeit, wo sie nur begrenzt ihre Runden auf dem Gefängnishof drehen durfte.
Stevens bog von der Hauptstraße ab. Das Dorf war sehr klein.
Es gab ein einziges Gebiet mit Einfamilien- und Reihenhäusern. Der Ortskern
bestand aus einem beschaulichen Marktplatz mit einigen kleinen Geschäften wie
Bäcker, Metzger und natürlich der Dorfschenke. Es gab das Rathaus, welches
gleichzeitig die Polizei und die Poststelle beherbergte. Hier passt dieser Mann
gar nicht hin, dachte Christina. Marc Stevens als Naturbursche? Undenkbar! Marc
beobachtete Christina, wie sie still die Gegend erforschte. „Gefällt es
Ihnen?“, fragte er. „Es ist einfach phantastisch, Herr Stevens! Wie viele
Einwohner hat denn dieses Örtchen?“
„Nur ein paar Hundert. So genau weiß ich das auch nicht. Es
sind in den letzten Jahren einige mehr geworden, seit es das Neubaugebiet
gibt.“
„Und dort wohnen Sie?“
„Nein, ich wohne am Ortsrand, genau entgegengesetzt.“
Sie durchfuhren das Zentrum und bogen in einen Privatweg
ein. Stevens Anwesen bildete das Ende der Sackgasse. Hohe Mauern und mächtige
Tannen versperrten den Blick auf das Haus. Stevens musste warten, bis das
automatische Tor ihnen den Weg auf das Grundstück gestattete. „Das mit den
Mauern gefällt mir auch nicht“, sagte er, „aber es muss sein. Jeder weiß, wo
ich wohne, und so kommen immer mal wieder Fans vorbei und klingeln an, um ein
Autogramm zu bekommen. Es hat sogar schon einmal Kaffeefahrten hierhin gegeben.
Da standen dann regelmäßig die Touristenbusse vor meiner Tür. Die Presse kann
auch ganz schön hartnäckig sein.“ Er fuhr wieder an. Eine kleine Allee führte
durch den sehr gepflegten Park, bis zu einem bunt bepflanzten Rondell vor dem
Haus. Stevens umfuhr es, hielt den Wagen an und lief sofort um das Auto herum,
um ihr den Schlag zu öffnen. Christina ließ ihn machen und stieg aus.
Erst jetzt konnte sie die ganze Dimension des Baus erkennen.
Das war kein Haus! Es war vielmehr ein Palast, der jedoch trotz seiner Ausmaße
eine ungewöhnliche Romantik ausstrahlte. Es handelte sich um mehrere
aneinandergebaute Trakte mit jeweils reetgedeckten Dächern,
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