Ein Macho auf Abwegen
hinuntergehen
und unten vor der Tür auf ihn warten. Er sollte bloß nicht auf die Idee kommen,
ihre Wohnung zu betreten! Ihr kleines Reich galt weiterhin als männerfreier
Sektor, und so sollte es in Zukunft auch bleiben.
Im Treppenhaus hörte sie schon seinen Wagen. Es war der
Porsche, nicht der Ferrari! Das erkannte Christina schon am Motorengeräusch.
Als sie unten ankam, stand der Superstar bereits neben der Beifahrertüre, um
sie, ganz Kavalier, für Christina aufzuhalten. Sie grüßte kurz und tat so, als
hätte sie gar nichts anderes erwartet. Stevens musste unvermittelt grinsen, als
er um den Wagen herumging. Seine Assistentin war die erste Frau, für die er
sich jemals diese Mühe gemacht hatte. Er wollte sich von seiner allerbesten
Seite zeigen, schließlich hatte er bei ihr noch etwas gutzumachen. Er mochte es
nicht, wenn Frau Klasen meinte, er sei nur ein anfälliger Sittenstrolch.
Außerdem hatte er, seit er diese Frau kannte, riesigen Spaß daran, ihr ein
wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sie sollte zu keiner Zeit behaupten
können, was für ein ungehobelter Klotz er sei.
Christina gefielen diese kleinen alltäglichen
Aufmerksamkeiten. Neulich hatte sie mit Inge Fink über gutes Benehmen und
Manieren gesprochen. Die beiden Frauen waren übereinstimmend zu dem Ergebnis
gekommen, dass es jungen Leuten nicht schaden konnte, wenn sie wenigsten die
elementarsten Knigge-Regeln beherrschten. Wie viele Menschen gab es, die noch
nicht einmal anständig mit Messer und Gabel essen konnten! Christina hatte das
im Hotel tagtäglich zu sehen bekommen und im Gefängnis erst recht. Da wurde
alles einfach nur unter der Nase hereingeschoben, egal wie man dabei am Tisch
saß und dabei aussah. Was war daran so schlecht, wenn ein Mann sich von seinem
Platz erhebt, für den Fall dass eine Frau dazukommt oder ihr in den Mantel
hilft? So manche Emanze hätte ihr wohl geantwortet: „Ich kann meinen Mantel
schon selber anziehen! Ich weiß doch, wie man eine Autotüre öffnet!“ Natürlich
weiß und kann Frau das! Aber für Christina galt: Ein Mann ist ein Mann, und
eine Frau ist eine Frau. Es gab nun einmal diesen entscheidenden Unterschied.
Sie konnte Frauen nicht verstehen, die sich wie Männer anzogen, sich Krawatten
umbanden und ausschließlich in flachen Tretern durch die Gegend liefen. Andere
redeten und gebärdeten sich sogar wie Männer. Christina fand das einfach
schlimm. Hieß denn gleichberechtigt zu sein, die Männer zu imitieren und
fertig? – Nein! Emanzipation bedeutete für sie, ihre Interessen durchzusetzen,
zum Ziel zu kommen, und warum sollte man dafür nicht auch einmal die Waffen
einer Frau einsetzen? Der Weg ist das Ziel! Natürlich hatte die Frauenbewegung
viel für die Geschlechtsgenossinnen erreicht. Vielleicht musste man manchmal
auch den Bogen überspannen, um seine Rechte durchzusetzen, doch Christina stand
auf diesen altmodischen Kram. Sie fühlte sich durch die kleinen höflichen
Gesten des Alltags als Frau geachtet und respektiert. Also hatte Stevens durch
seine Benimmkenntnisse sie soeben mächtig beeindruckt und wieder ein paar
Punkte bei ihr wettgemacht.
Obwohl es noch ziemlich früh am Morgen war, schien er in
ausgezeichneter Stimmung zu sein. Hatte sie ihn eigentlich schon einmal so
richtig schlechtgelaunt erlebt? Natürlich war er manchmal gestresst und
überarbeitet, aber selbst das konnte ihm seine Laune nicht trüben.
Stevens fragte nach, ob ihr die Musik gefiel und ob er den
richtigen Radiosender eingestellt hätte. Sie hatte nichts an seiner Wahl
auszusetzen. „Na, dann kann es ja losgehen!“, rief er und ließ den Motor des
Sportwagens einmal kurz aufheulen.
Marc musste recht schnell feststellen, dass seine
Assistentin sich als relativ miserable Beifahrerin entpuppte. Er beobachtete
sie dabei, wie sie ständig mit ihrem rechten Fuß auf eine imaginäre Bremse im
Fußraum trat. „Der will gleich ‘rüber, Herr Stevens!“, machte sie ihn
aufmerksam. „Achtung! Abstand! Der da vorne bremst!“ Sie konnte Marc damit
nicht aus der Ruhe bringen. Er amüsierte sich köstlich über ihre Art und Weise
beizufahren. Was allerdings seine Assistentin nahezu rasend machte, war seine
Schaltfaulheit. Wenn er abgebremst hatte und wieder beschleunigen musste,
schaltete er oft nicht in den nächst kleineren Gang, sondern ließ den Wagen
einfach untertourig blubbern. Sie konnte nicht mehr länger zusehen, ohne etwas
zu sagen. „Herr Stevens, so ein Wagen will geschaltet werden!
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